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Elektroden nach dem Vorbild der Heuschrecke

Bionik
Vorbild für die EEG-Elektrode war die Heuschrecke

Forschende der ETH Zürich haben neuartige Elektroden für die Gesundheitsüberwachung entwickelt, die sehr gut an der Haut haften und Signale hoher Qualität aufzeichnen. Zwei Spin-off-Gründer wollen das Produkt noch dieses Jahr zur Marktreife bringen.

Isabelle Herold
ETH Zürich

Wer schon einmal ein Elektrokardiogramm erstellen ließ, kennt die Elektroden, die der Arzt am Brustkasten befestigt. Herkömmliche Modelle haben jedoch Nachteile: Harte Metallelektroden sind unbequem zu tragen. Bei Gel-Elektroden, wie sie im klinischen Alltag am häufigsten verwendet werden, erleiden Patienten öfters Hautirritationen oder gar allergische Reaktionen.

Bionische Elektrode ist kaum spürbar

ETH-Forschern um Janos Vörös, Professor für Bioelektronik, und Christopher Hierold, Professor für Mikro- und Nanosysteme, ist es nun gelungen, Abhilfe zu schaffen. Sie entwickelten eine Elektrode, die ähnlich elastisch ist wie die Haut und die der Träger somit kaum spürt. Dank der speziellen Oberflächenstruktur können Signale von Herz und Hirn in hoher Qualität aufgezeichnet werden. Ihre Arbeit haben die Forscher unlängst in der Fachzeitung Advanced Healthcare Materials publiziert.

Die Wissenschaftler verwendeten weiches Material, eine hautverträgliche Mischung aus Silikongummi und leitenden Silberpartikeln – die Grundlage war eine frühere Forschungsarbeit aus der Gruppe von Janos Vörös. Die Strukturierung der Oberfläche ist von der Natur inspiriert: Die Forscher machten sich den Mechanismus zu Nutze, der Heuschrecken ermöglicht, selbst auf vertikalen Flächen zu gehen. Ihre Fußsohlen sind mit unzähligen winzigen Plättchen bedeckt, die unter dem Mikroskop wie Pilzköpfchen aussehen und mosaikartig angeordnet sind. Kommen sie in Kontakt mit einer anderen Oberfläche, tritt ein Klebeeffekt auf, in der Fachsprache Van-der-Waals-Interaktion genannt. Die Forscher übertrugen die Mikrostruktur auf ihr Material und schufen so eine Elektrodenoberfläche, die an der Haut haftet. Die Geometrie maximiert zudem die Kontaktfläche zur Haut, was das Aufzeichnen von Signalen in sehr hoher Qualität ermöglicht.

Um zu prüfen, ob die Elektroden auch bei starker Beanspruchung funktionieren, testeten die Forscher sie an einer Schwimmerin. Aufgrund des Wasserwiderstands und der kräftigen Bewegungen gilt Schwimmen als besonders schwierige Disziplin für die Leistungsüberwachung mittels Elektroden. Die Qualität der Signale, die die neuen Elektroden aufzeichneten, war deutlich besser als die der Gel-Elektroden, die die Schwimmerin ebenfalls trug. Die Seerettung Zürich setzt die neuen Elektroden jetzt in einer Studie ein.

Elektroden für EEG und EKG sind unterschiedlich gestaltet

Abgesehen von einer Elektrode für die Aufzeichnung von Elektrokardiogrammen (EKG) entwickelten die Forscher auch eine Elektrode, mit der sich Hirnströme im Rahmen der Elektroenzephalographie (EEG) messen lassen. Die Materialmischung ist für beide Elektrodentypen dieselbe, die Struktur jedoch verschieden: Die EEG-Elektroden brauchen die haftende Mikrostruktur nicht, da sie mit einer Kappe fixiert sind. Ihre Oberfläche ist stattdessen mit mehreren, 2 bis 4 mm hohen Noppen ausgestattet, was den Kontakt mit der Kopfhaut selbst durch dichtes Haar hindurch möglich macht. Somit werden Rasur und Gel hinfällig.

Dass solche Elektroden hohes Marktpotenzial haben, davon waren Séverine Chardonnens und Simon Bachmann, zwei der Autoren der Studie, von Anfang an überzeugt. Noch während ihres Masterstudiums arbeiteten sie an der Idee für ein eigenes Unternehmen. Inzwischen wurden sie in die Schweizer Förderprogramme von Venture Kick und der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) aufgenommen und gewannen in Start-up-Wettbewerben einiges an Startkapital.

Potenzial im EEG-Markt

Nach der offiziellen Gründung des Unternehmens Idun Technologies als ETH-Spin-off im November 2017, evaluieren Chardonnens und Bachmann nun, auf welche Anwendung sie sich zunächst konzentrieren wollen. Potenzial sehen sie bei der Langzeitüberwachung von Patienten, bei der Leistungskontrolle im Sport- oder im EEG-Markt. „Wenn alles wie geplant läuft, können wir bereits in diesem Jahr die ersten Elektroden verkaufen“, sagt Chardonnens.

www.ethz.ch


Köpfchen für die Elektroden

Die Prototypen für ihre Elektroden stellten die Forscher in einem eigens entwickelten Fabrikationsverfahren im Reinraum her. Sie bestrichen eine Unterlage mit zwei verschiedenen Lacken und deckten sie mit einer präzis perforierten Maske zu. Dann bestrahlten sie das Ganze mit Licht, was den oberen, lichtempfindlichen Lack genau unter den perforierten Stellen der Maske lösbar machte. Anschließend tauchten sie alles in eine Chemikalienlösung. Diese griff zuerst die lösbaren Stellen des oberen Lacks an und arbeitete sich dann weiter zum zweiten Lack.

Dort stoppten die Forschenden den Abbau zum exakt richtigen Zeitpunkt, so dass die gewünschte Gussform mit lauter umgekehrten Pilzköpfchen entstand. Aus einem Abguss resultierte dann die speziell strukturierte, haftende Elektrodenoberfläche.

Aus zwei Lackschichten (hier in grün und rot dargestellt) wurde eine Abgussform hergestellt. Das Elektrodenmaterial (gelb) erhielt darin auf einer Seite die gewünschte, pilzköpfchenähnliche Struktur
Bild: ETH Zürich
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