Ultraschall | Gebündelter Ultraschall kann Tumorzellen zerstören. Um dieses Verfahren für Organe einzusetzen, die sich mit der Atmung bewegen, müssen sich die Strahlen der Bewegung anpassen lassen. Die Software dafür schaut ein bisschen in die Zukunft und berechnet, wo zum Beispiel die Leber im nächsten Augenblick sein wird.
Tobias SteinhäußerFraunhofer-Gesellschaft, München
Seit langem dient Ultraschall als Diagnoseverfahren. Relativ neu dagegen ist sein Einsatz zu therapeutischen Zwecken. Dabei werden die Schallwellen so stark gebündelt, dass sie erkranktes Gewebe – vor allem Tumorzellen – veröden und damit unschädlich machen. Aus Patientensicht besitzt der fokussierte Ultraschall mehrere Vorteile: Die Behandlung läuft nicht-invasiv und ohne Narkose, zudem gibt es keine Operationswunden.
Allerdings ist das Verfahren nur für wenige Indikationen zugelassen, etwa für die Behandlung von Prostatakrebs, Knochenmetastasen und Gebärmuttermyomen. Zur Therapie von Organen, die sich mit der Atmung bewegen, taugt die Methode bisher nur ansatzweise: Der Patient müsste dafür zuverlässig die Luft anhalten können oder aber in Vollnarkose versetzt werden, damit die Ärzte die Atmung gezielt kontrollieren können.
Auf dem Europäischen Radiologenkongress ECR stellten Forscher ein im EU-Projekt Trans-Fusimo entwickeltes Verfahren vor, mit dem per fokussiertem Ultraschall auch ein Organ behandelt werden kann, das sich mit der Atmung bewegt – die Leber. Damit könnten manche Lebertumoren künftig schonender als bislang therapiert werden. Koordiniert wurde das EU-Projekt vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin Mevis in Bremen.
Die Lösung, die die beteiligten Partner entwickelt haben, sieht vor, dass der Ultraschallstrahl der Leber in ihrer Bewegung nachgeführt wird. Dadurch soll der Tumor effektiv getroffen und gleichzeitig das umliegende Gewebe verschont werden. Die Basistechnologie für diese neue Methode liegt nun vor. Dieses Zwischenresultat zeigten die Forscher am 1. März auf dem Radiologenkongress in Wien im Rahmen eines Industriesymposiums.
Schallgeber wird mit in Echtzeitberechneten Daten gesteuert
Prinzipiell funktioniert das Verfahren so, dass der Patient während der Behandlung in einem MR-Scanner liegt. Dieser liefert jede Zehntelsekunde ein Bild von der augenblicklichen Lage der Leber. Gleichzeitig befindet sich auf dem Bauch des Patienten der Schallgeber – eine Scheibe, bestückt mit mehr als 1000 kleinen Ultraschallsendern. Sie können so gesteuert werden, dass sich ihre Wellen präzise in einem reiskorngroßen Punkt im Tumor treffen. Erst dort entfalten sie ihre zerstörerische Wirkung – die Krebszellen werden quasi zerkocht. Der MR-Scanner kontrolliert diesen Prozess. Er misst die Temperatur in der Leber und prüft, ob an der richtigen Stelle lange genug erhitzt wurde.
Doch gab es auch so noch ein Problem zu lösen. „Jede Zehntelsekunde ein Lagebild von der Leber zu erhalten, genügt nicht, um den Ultraschallstrahl zuverlässig nachführen zu können“, erläutert Projektmanagerin Sabrina Haase, Mathematikerin am Fraunhofer MEVIS. „Deshalb haben wir eine Software entwickelt, die ein wenig in die Zukunft schaut und berechnet, wo genau sich die zu beschallende Region im nächsten Augenblick befindet.“ Das Programm bestimmt den Weg, den der Ultraschall nehmen muss, damit er den Lebertumor trotz der Atembewegung im Visier behält. Die Herausforderung beim Schreiben der Software bestand darin, dass sie in Echtzeit und zugleich höchst zuverlässig laufen muss.
Eine weitere Schwierigkeit lag darin, dass vor der Leber die Rippen liegen. Um sie zu schonen, werden gezielt die Elemente im Schallgeber ausgeschaltet, die die Rippe ansonsten beschallen würden – als würde man bei einem Duschkopf jene Löcher zuhalten, deren Wasserstrahlen in eine unerwünschte Richtung zielen.
„Wir haben die technische Entwicklung abgeschlossen und bereits erste Tests gemacht“, sagt Haase. Dabei hat ein Roboterarm ein Gel-Präparat im MR-Scanner hin- und herbewegt und dadurch das Auf und Ab der Leber im Körper simuliert. Gleichzeitig wurde das Gel-Phantom fokussiertem Ultraschall ausgesetzt, wobei der MR-Scanner die Temperaturverteilung erfasste. „Die Ergebnisse entsprechen unseren Erwartungen“, freut sich Haase. „Jetzt können wir die nächsten Schritte vorbereiten.“
Mitte 2018 sind im Rahmen von Trans-Fusimo die ersten Testbehandlungen mit Patienten geplant. Danach könnte – gemeinsam mit einem Industriepartner – die Zulassung als Medizinprodukt in Angriff genommen werden. Bewährt sich die Methode, ließen sich perspektivisch auch andere Organe behandeln, die sich mit jedem Atemzug bewegen – Niere, Bauchspeicheldrüse oder sogar die Lunge.
„Patienten mit abdominalen Tumoren müssen sich bisher mehreren invasiven Eingriffen unterziehen“, sagt Prof. Mario Bezzi von der Universität La Sapienza in Rom. MR-gestützter fokussierter Ultraschall könne eine echte Alternative zu solchen Interventionen bieten. Das neue Therapiesteuerungssystem aus dem Projekt Trans-Fusimo werde bei der Anwendung von MR-gestütztem fokussiertem Ultraschall in der klinischen Routine „eine außerordentliche Hilfe“ sein, da es ermögliche, die Tumoren zielgenau zu zerstören und die gesamte Prozedur effektiv zu steuern. ■
Über Trans-Fusimo
Das EU-Projekt Trans-Fusimo, kurz für Clinical Translation of Patient-Specific Planning and Conducting of FUS Treatment in Moving Organs startete Anfang 2014 und läuft bis Ende 2018. Beteiligt sind elf Institutionen aus sieben Ländern, neben Kliniken und Universitäten auch vier Medizintechnik-Unternehmen.
Koordiniert wird das 5,6-Millionen-Euro Projekt vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin Mevis in Bremen.
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