Wissenschaftler wollen körpereigene, so genannte extrazelluläre Vesikel nutzen, um in ihnen Medikamente gezielt zu Krankheitserregern im Körper zu schleusen.
Bakterien entwickeln zunehmend Resistenzen gegen die gängig eingesetzten Antibiotika – unter anderem als Folge der übermäßigen und zum Teil falschen Anwendung der Medikamente. Bis zu 25.000 Menschen sterben pro Jahr allein in Europa an Infektionen mit multiresistenten Keimen. Mit einer Antibiotikabehandlung gehen zudem meist starke Nebenwirkungen einher, etwa durch das Zerstören der nützlichen Bakterien im Darm.
Würden die Antibiotika nur die krankmachenden Bakterien erreichen, würde dies die Nebenwirkungen deutlich reduzieren und die Effizienz der Behandlung steigern. Der Pharmazeut Dr. Gregor Fuhrmann möchte genau diesen Ansatz umsetzen. Dazu hat ihm das Bundesministerium für Bildung und Forschung nun eine Förderung in Höhe von 2,1 Mio. Euro über fünf Jahre zugesagt, mit der Fuhrmann die Nachwuchsgruppe „Biogene Nanotherapeutika“ einrichten wird. Fuhrmann ist Wissenschaftler am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), das eine gemeinsame Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Universität des Saarlandes (UdS) in Saarbrücken ist.
Körpereigenen Transportweg nutzen
„Unser Ziel ist es, ein natürliches Wirkstoffträgersystem für Antibiotika zu entwickeln, das auf so genannten extrazellulären Vesikeln basiert“, sagt Gregor Fuhrmann. Diese Vesikel sind winzige Bläschen, die die Körperzellen abgeben, um gezielt mit anderen Zellen zu kommunizieren. Dabei richten sich die Vesikel nicht nur an andere Körperzellen, sondern kommen auch zur Abwehr von Bakterien zum Einsatz. Natürlicherweise enthalten die Bläschen Botenstoffe, über die Informationen weitergegeben und so physiologische Prozesse im Körper eingeleitet werden. Diesen körpereigenen Transportweg möchte Fuhrmann mit seiner neuen Nachwuchsgruppe nutzen, um antibiotische Wirkstoffe besser zu krankmachenden Bakterien zu bringen und diese so zu bekämpfen.
„Für den gezielten Wirkstofftransport mittels extrazellulärer Vesikel gibt es in der Krebs- und der regenerativen Medizin bereits erste präklinische Anwendungen, die systematische Untersuchung der Vesikel als Wirkstoffträger im Bereich von Infektionserkrankungen ist bisher aber einzigartig“, sagt Rolf Müller, geschäftsführender Direktor des HIPS.
Sichtbare Interaktion der Vesikel mit Bakterien
Fuhrmann möchte nun Vesikel verschiedener Zellen isolieren, genau charakterisieren und mit antibiotischen Wirkstoffen beladen. Damit sollen sich die Vesikel dann gezielt zu Orten mit einer Infektion bewegen und die Antibiotika dort freisetzen. Die Untersuchungen erfolgen unter anderem mit modernster Echtzeitmikroskopie, die die Interaktion der Vesikel mit Bakterien sichtbar machen kann. Als mögliche Quelle für geeignete Vesikel steht am HIPS außerdem eine Vielzahl von Bakterienstämmen zur Verfügung, denn auch Bakterien nutzen die Bläschen zur Interaktion und zur Verteidigung.
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