Am Uniklinikum Dresden ist einem Patienten weltweit erstmals ein individuelles Unterkieferimplantat aus Titan eingesetzt worden. Anders als bisher verwendete Rekonstruktionsplatten hat es die gleiche Festigkeit und Geometrie wie die angrenzenden Knochen: Es bricht nicht an den Verbindungsstellen.
Knochendefekte im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich wurden bisher mit konfektionierten Rekonstruktionsplatten behandelt. In rund 45 % der Fälle führte dies schon nach kurzer Zeit zu funktionellen und ästhetischen Komplikationen. Weil die Standardplatten nicht passgenau auf dem Restknochen angebracht werden konnten, wurde die darüber liegende Schleimhaut stark strapaziert. Häufig entstanden Entzündungen, und die Platten lockerten sich. Zusätzlich kam es zum Bruch der Rekonstruktionsplatte, weil Implantat und Knochen unterschiedliche Festigkeiten aufwiesen.
Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe aus Sachsen hat nun ein Verfahren entwickelt, das die Herstellung eines individuellen Unterkieferimplantates aus Titan ermöglicht. „Weil das neue Unterkieferimplantat die gleiche Festigkeit und Geometrie wie die angrenzenden Knochen aufweist, bricht das Material nicht mehr an den Verbindungsstellen“, erklärt Prof. Ralph Stelzer, Inhaber der Professur für Konstruktionstechnik/CAD an der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden. Dies erspare dem Patienten ästhetische Defizite nach der Operation und weitere medizinische Eingriffe. Zudem erfolge die Befestigung am Restkiefer gewebeschonend, was eine optimale Heilung garantiere. Im März konnte der weltweit erste Patient in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Dresden erfolgreich mit dem neu entwickelten Implantat versorgt werden.
Reines Titan gewährleistet die Biokompatibilität des Implantats, das in etwa 32 Arbeitsstunden gefertigt wird. Es wird in einem komplexen Fertigungsverfahren erst aufgeschmolzen und dann mit Lasercusing schichtweise aufgebaut. Die äußere Schale des Implantats entspricht dann mit einer Wandstärke von nur 0,3 mm der Festigkeit des entfernten Kieferknochens. Damit das Titanimplantat nicht zu schwer oder temperaturempfindlich wird, ist es als Schalenkonstruktion gefertigt. Momentan arbeiten die Forscher daran, den Innenraum des Implantates mit einer filigranen Struktur zu füllen, die das Knochenwachstum anregen soll.
Als Ausgangspunkt für die Konstruktion dienen Daten aus dem CT eines erkrankten Patienten. Die individuelle Datenaufbereitung erfolgt als virtuelles 3D-Modell mit einer in der Arbeitsgruppe Reverse Engineering der TU Dresden eigens dafür entwickelten Software. Auf Grundlage des digitalen Modells wird das Unterkieferimplantat individuell konstruiert, angepasst und in der Hofmann & Engel Produktentwicklung GmbH in Moritzburg gefertigt. Die Softwarelösung, die im Rahmen des Projektes entstanden ist, wird für andere Problemstellungen der OP-Planung angepasst, wie etwa bei Zahnimplantationen.
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