Technologien zur Spracherkennung wie Alexa oder Siri haben in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gemacht. Sie können inzwischen Sprachbefehle zum Beispiel zur Steuerung von Handys, zur Bedienung eines Weckers oder auch unterschiedlichster Smart-Home-Anwendungen sehr gut verstehen. Laute Umgebungen mit vielen verschiedenen Geräuschen sind jedoch für derzeitige Technologien mit konventionellen Mikrofonen noch sehr problematisch. Das menschliche Gehör ist dagegen in der Lage, die Stimmen einzelner Personen in lauten Umgebungen mit einer Vielzahl an Hintergrundgeräuschen herauszuhören und das Gesagte zu verstehen.
Die Vorzüge des menschlichen Ohrs hat sich nun ein Forscherteam der Technischen Universität Ilmenau, der Christian-Albrechts-Universität Kiel, des Karlsruher Instituts für Technologie, des University College Cork und des Ilmenauer Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie zunutze gemacht. Dabei bilden die Wissenschaftler die Funktion des Innenohrs nach, denn dieses unterstützt beim Menschen das Hörverstehen insbesondere in lauten Umgebungen. Das von ihnen entwickelte bio-inspirierte Mikrofon nutzt drei Eigenschaften des menschlichen Gehörs.
Mikrofon kopiert Eigenschaften vom Ohr
Das Ohr wie auch das Mikrofon können
- Worte oder Melodien in seine einzelnen Töne zerlegen und damit das Verdecken von leisen durch laute Töne verhindern.
- Des Weiteren kann das Mirkofon laute Töne dämpfen und leise verstärken. Diese von Fachleuten genannte nichtlineare oder kompressive Verstärkung ist bereits in den Sensor des Mikrofons integriert. So ist es möglich, deutlich größere Lautstärkebereiche zu hören.
- Als Drittes kann das Mikrofon wie das Ohr diese relativen Verstärkungsfaktoren für einzelne Töne situationsabhängig verändern.
Technologisch erreichen die Forscher dies durch den Haarzellen nachempfundene Biegebalken aus Silizium im Mikrofon. Sie haben eine Länge von 0,33 mm bis etwas über 1 mm. Dieser Längenunterschied bewirkt, dass jeder Biegebalken nur auf einen einzelnen Ton des Schallsignals reagiert. Eine elektronische Steuerung ermöglicht es, die Eigenschaften jedes Biegebalkens, wie zum Beispiel die Verstärkung, separat zu steuern und so an verschiedene, zum Beispiel unterschiedlich laute Umgebungen anzupassen.
Mikrofon für Hörgeräte interessant
Dank der für jede Tonhöhe separat steuerbaren und automatischen Anpassung an das Schallsignal werden die relevanten Signale hervorgehoben. Dadurch, so die Idee der Forscher, ist für die Sprachanalyse weniger Rechenleistung und somit für das Gesamtsystem aus Spracherkennung und Mikrofon weniger elektrische Energie nötig.
Vor allem Anwendungen mit begrenzten Energiekapazitäten, etwa Hörgeräte, wären so in der Lage, deutlich komplexere Sprach- und Schallanalysen durchzuführen. Zudem ermöglicht die Herstellung des bio-inspirierten Mikrofons auf Basis von Siliziumtechnologie nicht nur eine mikrometergenaue Fertigung, sondern auch eine kostengünstige Massenproduktion.
Gemeinsam mit den Wissenschaftlern der Partnereinrichtungen will die TU Ilmenau nun Prototypen des bio-inspirierten Mikrofons entwickeln.
Kontakt:
TU Ilmenau
Dr. Claudia Lenk
Fachgebiet Mikro- und nanoelektronische Systeme
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https://doi.org/10.1038/s41928–023–00957–5