Die Rinde heimischer Nadelhölzer hat in der Holzindustrie den Ruf eines Abfallprodukts. Sie wird ab Sägerei meist direkt verbrannt oder im Gartenbau als Mulch verwendet. Ein Team des Nationalen Forschungsprogramms „Ressource Holz“ (NFP 66) hat in der Schweiz nun Verfahren entwickelt, um aus Rindenmaterial hochwertige Tannine zu gewinnen und daraus Kleb- und Verbundstoffe herzustellen, welche unter anderem für den 3D-Druck genutzt werden können.
Umweltschonend und ohne Formaldehyd
Bereits heute werden zur Herstellung von Holzklebstoffen Tanninextrakte verwendet. Diese stammen jedoch meist aus Rinden tropischer Holzarten und werden in Übersee produziert. Rinden europäischer Nadelhölzer bleiben bei der kommerziellen Tanningewinnung außen vor. Frédéric Pichelin und sein Team an der Berner Fachhochschule (BFH) im schweizerischen Biel haben nun ein Verfahren zur Tanninextraktion aus heimischer Rinde entwickelt und anschließend deren Eignung zur Herstellung von Klebstoffen für Faser- und Spanplatten geprüft.
Es gelang den Forschern, aus hiesiger Fichtenrinde in einem zweistufigen wässrigen Extraktionsverfahren Tannine mit beachtlichem Reinheitsgrad zu gewinnen. Mit diesen Extrakten entwickelten sie eine Rezeptur von Klebstoffen für Faser- und Spanplatten. Diese sind grundsätzlich zur Plattenherstellung geeignet. Zudem kommen die gefertigten Plattenmuster ohne Zusatz von Formaldehyd aus, das in verleimten Holzwerkstoffen üblicherweise vorkommt und wegen seiner schädlichen Wirkung verpönt ist.
Rindenextrakte für den 3D-Druck
Weitere Einsatzmöglichkeiten der Tannine wären laut der Forscher tanninbasierte Schäumen für Plattenwerkstoffe im Leicht- und Möbelbau. Tanninschäume zeichnen sich unter anderem durch hohen Brandwiderstand aus, was den Einsatz entsprechender Produkte in brandschutzsensiblen Bereichen befördern wird.
Darüber hinaus spielen die Tanninextrakte eine große Rolle in der Entwicklung von Verbundstoffen für den 3D-Druck. Den Forschenden schweben druckbare Bau- und Designwerkstoffe vor, die ganz oder hautsächlich auf Holz und Rinde basieren. Schließlich zeigen sogar die Pharma- und Lebensmittelindustrie gesteigertes Interesse am Grundstoff Tannin – sie haben vor allem dessen antioxidative und antibakterielle Wirkung im Blick.
Und was Tannin selber nicht vermag, leisten unter Umständen die bei der Rindenextraktion ebenfalls anfallenden Inhaltsstoffe. Diese bewahren bereits in der Natur die Bäume vor Pilzen und Bakterien und können künftig zur biologischen Schutzbehandlung von Holzoberflächen eingesetzt werden.
„Die Anwendungsoptionen von Extrakten aus Holzrinden sind immens. In welche Richtungen all diese Reisen konkret gehen werden, ist noch offen“, meint Frédéric Pichelin.
www.nfp66.ch/de/projekte/dialogfeld-3-neuwertige-materialien-und-verbundstoffe/projekt-pichelin