Schmelzen, Schleifen, Ätzen. Diese Prozesse, mit denen Glas für High-tech-Anwendungen derzeit verarbeitet wird, sind technologisch anspruchsvoll, aber energieintensiv, jahrzehntealt und im Hinblick auf die Formen, die sich damit realisieren lassen, stark eingeschränkt. Freiburger Forschern ist es mit einem neuen Verfahren gelungen, Glas mittels Spritzguss einfach und schnell in nahezu beliebige Formen zu bringen.
Spritzguss für Glas: Was bisher nur mit Kunststoff ging
„Seit Jahrzehnten sind Gläser oft zweite Wahl bei der Materialfrage, da ihre Formgebung zu kompliziert, energieintensiv und ungeeignet ist, hochaufgelöste Strukturen herzustellen“, erklärt Prof. Bastian E. Rapp von der Professur für Prozesstechnologie am Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg. Er und sein Team haben zusammen mit dem Freiburger Start-up Glassomer GmbH ein neues Verfahren erarbeitet. „Wir haben die Kunststoff- und die Glasverarbeitung verbunden“, sagt Rapp. Mit dem neuen Verfahren sollen sowohl Massenprodukte als auch komplexe Kunststoffstrukturen und -bauteile schnell und kostengünstig durch Glas ersetzen werden können. Das könne interessant sein: In ihren physikalischen, optischen, chemischen und thermischen Eigenschaften seien Kunststoffe Gläsern unterlegen.
Die Designs aus Glas, die möglich werden, lassen sich sowohl in der Datentechnologie, Optik und Solartechnik einsetzen als auch für so genannte Lab-on-a-Chip-Anwendungen und die Medizintechnik. „Wir sehen großes Potenzial insbesondere für kleine Hightech-Glaskomponenten mit komplizierten Geometrien“, erklärt Dr. Frederik Kotz, Gruppenleiter an der Professur für Prozesstechnologie und wissenschaftlicher Leiter von Glassomer.
Schlüsselkomponenten für Sensoren und Optiken
Neben der Transparenz mache auch der sehr geringe Ausdehnungskoeffizient von Quarzglas die Technologie interessant. „Sensoren und Optiken arbeiten bei jeder Temperatur zuverlässig, wenn die Schlüsselkomponenten aus Glas bestehen.“ Zudem haben die Forscher zeigen können, dass mikrooptische Glasbeschichtungen den Wirkungsgrad von Solarzellen steigern. „Mit der Technologie können jetzt kostengünstige Hightech-Beschichtungen mit hoher thermischer Stabilität hergestellt werden. In der Industrie gibt es dafür eine Vielzahl von Möglichkeiten.“
Spritzguss für Glas verbrauch weniger Energie als das Schmelzen
Transparente Gläser konnten bislang nicht im Spritzguss geformt werden. Für die neu entwickelte Technologie wird ein selbstentworfenes Granulat verwendet. Es lässt sich im Hochdurchsatz bei 130 °C formen. Die spritzgegossenen Komponenten werden anschließend in einer Wärmebehandlung in Glas umgewandelt: Das Resultat ist reines Quarzglas. Dieser Prozess benötigt weniger Energie als das herkömmliche Glasschmelzen. Die resultierenden Glasbauteile weisen eine hohe Oberflächengüte auf, so dass Nachbehandlungsschritte, wie zum Beispiel das Polieren, nicht erforderlich sind.
Das Team um Frederik Kotz und Markus Mader, Doktorand der Professur für Prozesstechnologie, hat bestehende Probleme wie Porosität und Partikelabrieb beim Spritzguss von Glas gelöst. Darüber hinaus wurden wichtige Prozessschritte des Verfahrens auf Wasserbasis ausgelegt, was die Technologie umweltfreundlicher und nachhaltiger wird.
Kontakt zu den Forschern:
Professur für Prozesstechnologie /Neptun Lab
https://www.neptunlab.org
Prof. Dr. Bastian Rapp
Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK)
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: +49(0)761-203-7351
E-Mail: bastian.rapp@imtek.uni-freiburg.de
Dr. Frederik Kotz
Glassomer GmbH
Tel. +49 (0)761-203-7355
Email: frederik.kotz@glassomer.com
Weitere Informationen
Prof. Rapp ist geschäftsführender Direktor des Freiburger Materialforschungszentrums FMF sowie Mitgründer und Chief Technical Officer (CTO) der Glassomer GmbH.