Sprache ist für Menschen das natürlichste Kommunikationsmedium und damit auch die effizienteste Form, miteinander zu kommunizieren. Das lässt sich auch für die industrielle Produktion nutzen, um Prozesse zu vereinfachen und sie für Mitarbeiter sicherer und bedienungsfreundlicher zu machen.
Handschuhe anbehalten und Cobot über die Sprache steuern
Ein Beispiel dafür ist eine englische Sprachsteuerung, die Fachleute aus zwei Fraunhofer Instituten in einen Schweiß-Cobot integriert haben. „Das bietet die Möglichkeit, Roboter dort effizienter zu programmieren, wo Werkerinnen und Werker aktuell noch unter Einsatz von Handschuhen arbeiten“, berichtet Dr. Johannes Stoll. Er leitet die Gruppe Roboterprozesse und Kinematiken vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in -Stuttgart – und sein Team hat mit Fachleuten aus dem Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg zusammengearbeitet.
Am Fraunhofer IDMT gibt es seit 2008 den Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA, der unter der Leitung von Prof. Birger Kollmeier und dem heutigen Institutsleiter Dr. Jens-E. Appell gegründet wurde.
Die Arbeiten dort konzentrieren sich auf
- Sprach- und Ereigniserkennung,
- Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie
- Mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte Gesundheitsversorgung.
Die Mitarbeiter nutzen in ihren Projekten ihre Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung. Über Kooperationen ist der Institutsteil HSA mit der Oldenburger Universität, der Jade Hochschule sowie der Hochschule Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster Hearing4all und im Sonderforschungsbereich Hörakustik.
Sprachsteuerung für fahrerlose Transportfahrzeuge
Doch die Audiotechnologie lässt sich eben auch in der intelligenten Produktion sinnvoll einsetzen. Das zeigt sich, wenn die Sprachsteuerung bei fahrerlosen Transportfahrzeugen (eng. Automated Guided Vehicle, kurz AGV) integriert wird. Dort ermöglicht sie den AGVs, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren. Diese können Anweisungen in Echtzeit entgegennehmen und ihre Routen anpassen, um beispielsweise einen Arbeitsplatz pünktlich mit dem richtigen Werkzeug zu beliefern. Dabei sind unterschiedliche Szenarien denkbar, wie etwa der Tausch eines defekten Werkzeugs oder das Bringen weiterer benötigter Teile. Statt die Handschuhe auszuziehen und Befehle am Touchscreen einzugeben, können die Mitarbeiter in der Produktion so auch ein Fräsbearbeitungszentrum, den Schweißroboter oder eben den Cobot nach Bedarf per Sprache steuern, während die Hände für andere Aufgaben frei bleiben.
OP-Ausstattung: Audio-System filtert im OP die wichtigen Infos
Um den Nutzen akustischer Systeme für die Produktion geht es aber auch jenseits der Sprachsteuerung. So haben die Forscher vom Fraunhofer IDMT auch Ergebnisse aus dem Bereich der Überwachung von Zerspanungsprozessen vorzuweisen. Sie haben speziell für diese Anwendung ein luftschallbasiertes Sensorsystem entwickelt. Dieses herstellerunabhängige System lässt sich an einer Maschine nachrüsten und unterstützt die Werkerinnen und Werker bei der effizienten und gleichzeitig sicheren Auslegung von Bearbeitungsprozessen.
Akustisches System zeigt als erweitertes Ohr Probleme am Werkzeug
Es dient als „erweitertes Ohr“ der Bediener und identifiziert zuverlässig regeneratives Rattern, auch außerhalb der Prozesskammer. Als regeneratives Rattern wird ein sich selbst verstärkendes Rattern bezeichnet, das aus dem Zusammenspiel von Werkzeug und Werkstück entsteht sowie durch Werkzeugverschleiß oder andere Prozessanomalien. „Unsere nachrüstbare Prozessüberwachung verbindet intelligente Algorithmen mit einfacher Integrierbarkeit – individuell angepasst an die aktuellen Anforderungen automatisierter Zerspanungsprozesse“, sagt Dr. Jens-E. Appell, der das Fraunhofer IDMT leitet.
Appell ist auch einer der Mitgründer des Industriearbeitskreises „Audiotechnologie für die intelligente Produktion“, kurz AiP. Dieser widmet sich seit vier Jahren zentralen Fragestellungen rund um die Produktion von Morgen. „Ziel ist es, regionale und überregionale Unternehmen miteinander zu vernetzen, um gemeinsam an Lösungen für die Industrie und Produktion zu arbeiten“, sagt Prof. Sven Carsten Lange, Hochschule Emden/Leer, Mitgründer und Sprecher des Netzwerkes. Im halbjährlichen Wechsel findet ein Treffen der Arbeitskreis-Mitglieder entweder online oder vor Ort am Standort Oldenburg des Fraunhofer IDMT statt, zuletzt im September 2024.
www.idmt.fraunhofer.de/de/institute/projects-products/projects/industriearbeitskreis.html