Als weltweit kleinsten flexiblen, mikroelektronischen Mikrokatheter bezeichnen Forscher vom IFW Dresden ihre Entwicklung, die in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (CBG) entstanden ist. Geleitet hat das Vorhaben Prof. Dr. Oliver G. Schmidt – Inhaber der Professur für Materialsysteme der Nanoelektronik, designierter wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) an der TU Chemnitz. Das Forschungsteam berichtet über den integrierten mikroelektronischen Katheter (IMK) in einer Publikation mit dem Titel „Electronically integrated microcatheters based on self-assembling polymer films“ in der aktuellen Ausgabe des Journals „Science Advances“.
Katheter – Wie und wozu sich die moderne Medizin Zugang zum Körper verschafft
Mikrokatheter auf Basis von Mikrochip-Technologien
In diesem smarten mikroelektronischen Werkzeug für die minimal-invasive Chirurgie sind die elektronischen Komponenten für Sensorik und Aktorik in der Katheter-Wand bereits integriert. „Durch die spezielle Herstellungsweise haben die eingebetteten elektronischen Komponenten keine Auswirkung auf die Größe unserer Katheter, die somit so dünn wie ein einziges Haar sein können“, sagt Boris Rivkin, Erstautor der Studie, der an der TU Chemnitz promoviert und seine Doktorarbeit am Leibniz IFW Dresden anfertigt. Die Instrumente haben einen Durchmesser von nur 0,1 mm und zeichnen sich zudem durch ihre Flexibilität, Widerstandsfähigkeit, und eine hohe Biokompatibilität aus. „Durch die Herstellung des Mikrokatheters auf Basis von Mikrochip-Technologien entsteht ein völlig neuer Typ biomedizinischer, multifunktionaler Werkzeuge“, fügt Prof. Oliver Schmidt hinzu. Solche smarten Werkzeuge könnten beispielsweise bei minimal-invasiven Behandlungen von Aneurysmen, Gefäßmissbildungen, oder bei Eingriffen an der Pankreas zum Einsatz kommen.
Flexibel und für diverse Einsatzzwecke ausgerüstet
Im IMK integrierten Prof. Schmidt und sein Team Magnetsensoren zur Navigation und Positionsbestimmung. Dieses Tracking setzt, wie ein Kompass, auf schwache Magnetfelder statt auf schädliche Strahlung oder Kontrastmittel, und wäre somit auch in tiefem Gewebe und unter dichten Materialien wie Schädelknochen anwendbar. Außerdem verfügt der IMK über einen Kanal für Flüssigkeiten, die gezielt im Körper abgegeben werden können.
Durch dieses mikrofluidische System ließen sich zum Beispiel Medikamente oder Flüssigembolisate direkt am Einsatzort verabreichen. Die Katheter-Spitze ist mit einem winzigen Greifinstrument ausgestattet, mit dem der IMK mikroskopische Objekte fassen und bewegen kann. Als mögliche Anwendungen schlagen die Forscher das Entnehmen kleinster Gewebeproben oder Blutgerinnsel vor.
Elektronische Schaltungen auf einem Chip – aufgerollt in Mikroröhrchen
Dieser hochflexible Einsatz integrierter Mikroelektronik wird möglich durch eingebettete elektronische Komponenten auf Basis der Swiss-Roll-Origami-Technik. Diese Technik erlaubt es, hochkomplexe mikroelektronische Schaltungen auf einem Chip herzustellen, die sich anschließend von selbst zu einer Mikro-Röhrchenstruktur aufrollen. Die mehrfachen Windungen einer solchen Swiss-Roll-Architektur vergrößern die nutzbare Oberfläche erheblich und erlauben es, die Sensorik, Aktorik und Mikroelektronik in der Wand des Röhrchens monolithisch zu integrieren. Diese Technologie erforschen Prof. Schmidt und sein Team seit geraumer Zeit.
Sensoren und künstliche Muskeln bringen Mikroelektronik in Form
Neue Anwendungen für minimal-invasive Chirurgie
Mit dem IMK werde die Lücke zwischen elektronisch verbesserten Instrumenten und den Größenanforderungen von vaskulären Interventionen in Submillimeter-Anatomien überbrückt, heißt es. Künftig können weitere Sensorfunktionen integriert werden und damit die potenziellen Anwendungen erweitern. Denkbar seien zum Beispiel Sensoren für die Blutgasanalyse, den Nachweis von Biomolekülen und die Erfassung physiologischer Parameter wie pH-Wert, Temperatur und Blutdruck. Es entstehen ganz neue und flexible Anwendungen für die minimal-invasive Chirurgie, so die Wissenschaftler.
Kontakt zum Forschungsteam:
Technische Universität Chemnitz
Straße der Nationen 62
09111 Chemnitz
www.tu-chemnitz.de
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Oliver G. Schmidt, Inhaber der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik an der TU Chemnitz