Werden in Zukunft nach einer abgeschlossenen Krebsbehandlung Sensoren im Körper permanent überwachen, ob neue Tumoren entstehen? Visionen wie diese Realität werden zu lassen, ist das Ziel eines internationalen Forschungskonsortiums. Die Partner wollen in den kommenden drei Jahren Wege erforschen, auf denen implantierte medizinische Geräte Informationen austauschen können – sowohl untereinander als auch mit der Umgebung. Dafür stellt die EU im Rahmen ihres Horizon-Programms 3,7 Mio. Euro zur Verfügung. Für Teilprojekte. die an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) bearbeitet werden, sind rund 500000 Euro vorgesehen.
Tumormarker im Gewebe messen und warnen
Eine Basis für den geplanten Ansatz gibt es. Schon heute werden viele medizinische Geräte, bei einer kleinen Operation in den Körper implantiert und übernehmen dort wichtige Funktionen. Ein Beispiel sind Herzschrittmacher, die den Schlagrhythmus des Hohlmuskels stabilisieren. In Zukunft könnten Implantate aber auch noch bei ganz anderen Aufgaben zum Einsatz kommen. „Denkbar ist beispielsweise, dass sie nach der Entfernung eines Tumors in das Gewebe eingesetzt werden und dort rund um die Uhr überwachen, ob eine neue Geschwulst entsteht“, erklärt Dr. Maximilian Schäfer vom Lehrstuhl für Digitale Übertragung der FAU, der von Prof. Robert Schober geleitet wird.
Wenn dann nach Monaten oder Jahren die Konzentration von Tumormarkern im Gewebe ansteigt, könnte das Implantat Alarm schlagen. Doch auf welche Weise? „Eine Möglichkeit wäre, dass der Sensor das Ergebnis seiner Messungen per Funk übermittelt“, sagt Schäfer. „Das funktioniert aber oft nicht zuverlässig, da Gewebswasser und Blut das Signal dämpfen. Zudem ist es schwierig, in kleinen Implantaten die nötigen Antennen und Batterien zu verbauen.“
Wie Implantate mit Sensoren über Moleküle kommunizieren könnten
Der Ingenieur für Kommunikationstechnik möchte daher stattdessen einen Weg nutzen, über den auch lebende Zellen Informationen austauschen: Sie verwenden dazu nicht etwa elektromagnetische Wellen, sondern Moleküle.
Wenn Immunzellen im Körper einen Krankheitserreger entdecken, rufen sie mit solchen Botenstoffen andere Abwehrzellen zur Hilfe. „Analog dazu könnte das Implantat ein spezielles Signalmolekül in den Blutstrom abgeben, sobald die Menge an Tumormarkern ansteigt“, erläutert Schäfer. „Im Idealfall ließe sich dieses Molekül ohne Blutentnahme von außen nachweisen, beispielsweise über optische Sensoren – vielleicht sogar denen in der Smartwatch der Patientin oder des Patienten.“
Simulation zeigt Ausbreitung der Signalmoleküle
Die Forschung zu solcher molekularen Kommunikation steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Das EU-Projekt Ermes soll das in den kommenden drei Jahren ändern. Die Beteiligten wollen unter anderem untersuchen, wie sich Signalmoleküle im Organismus ausbreiten. „Wir wollen dazu zunächst mit Hilfe von Computermodellen ihren Weg von einem Sender zu einem Empfänger simulieren“, erklärt Schäfer. „Außerdem werden wir Experimente in biologischen Systemen durchführen – unter anderem in der Membran von Hühnereiern und in toten Ratten.“
Die Forschenden wollen so verschiedene Fragen klären. Wie groß muss die Zahl der ausgeschütteten Moleküle sein, damit sie in ausreichender Konzentration beim Empfänger ankommen? Wie hängt diese „Sendeleistung“ von der Entfernung ab? Wie wird die Übertragung dadurch beeinflusst, dass Signalmoleküle an den Wänden der Blutgefäße haften bleiben?
Die Beteiligten wollen zudem untersuchen, welche Moleküle sich für die Weitergabe von Informationen besonders gut eignen. Diese müssen so beschaffen sein, dass sie keine unerwünschten Nebenwirkungen im Körper auslösen. Außerdem sollten sie binnen kurzer Zeit abgebaut oder ausgeschieden werden.
Aktive orthopädische Implantate sprechen künftig mit dem Arzt
Informationen über eine Krebs-Erkrankung müssen kontrollierbar bleiben
Idealerweise sollten sich diese künstlichen Botenstoffe zudem möglichst einfach und zuverlässig nachweisen lassen. Das ist ein Punkt, dem die Projektpartner ebenfalls nachgehen werden. In diesem Zusammenhang spielen auch Sicherheits-Aspekte eine Rolle. „Wir wollen schließlich verhindern, dass Unbefugte die molekularen Nachrichten abfangen und damit an sensible medizinische Daten gelangen“, betont Schäfer. „Es ist sehr wichtig, diesen Punkt direkt mit zu bedenken.“
Im Projekt Ermes kooperiert das FAU-Team um Prof. Schober unter anderem mit der Universität Regensburg, der TH Deggendorf sowie mit Partnern aus Finnland und Frankreich. Die Federführung des Projekts, an dem auch verschiedene Unternehmen beteiligt sind, liegt bei der Università di Catania in Italien.