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Sensationeller Teppich

Kunststoffe: Nicht nur Ketten, auch flächige Polymere sind möglich
Sensationeller Teppich

Sensationeller Teppich
Beim kettenförmigen Polymer sind jeweils zwei Moleküle verbunden (blaue Kästchen). Damit ein zweidimensionales und damit flächiges Gebilde entsteht, sind jeweils drei Bindungen (orange Dreiecke) erforderlich (Bild: Forschungsgruppe Schlüter / ETH Zürich)
Schweizer Wissenschaftler haben es geschafft, unter kontrollierbaren Bedingungen molekulare Teppiche – flächige Polymere – zu erzeugen. Eine Entdeckung mit Potenzial und der Aussicht auf Überraschungen.

Chemiker Hermann Staudinger postulierte 1920 an der ETH Zürich die Existenz von Makromolekülen, bei denen die gleichen Bausteine kettenförmig aneinandergereiht sind. Heute, mehr als neunzig Jahre nach der Entdeckung, werden jährlich etwa 150 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt.

Jetzt schien die Zeit reif für eine neue Entdeckung. Einer Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. A. Dieter Schlüter und Junji Sakamoto, Privatdozent am Institut für Polymere an der ETH Zürich, gelang es erstmals, flächige Polymere zu erzeugen.
Polymere entstehen, indem sich kleine einzelne Moleküle, so genannte Monomere, durch chemische Reaktionen zu großen Makromolekülen kettenförmig verbinden. In der Natur kommen aber nicht nur solche Ketten vor, es gibt auch ein zweidimensionales Polymer, in Form von Graphen. Kohlenstoffatome gehen da jeweils drei Bindungen ein und bilden so ein wabenförmiges Muster.
Was natürlich vorkommt, muss aber nicht unbedingt kontrolliert herstellbar sein. Für Graphen beispielsweise müsste man dafür mit enorm hohen Temperaturen arbeiten.
Die Forscher suchten aber dennoch nach einer Möglichkeit, zu einem derartigen Polymer zu kommen, mit drei oder mehr Bindungen zwischen den sich regelmäßig wiederholenden Molekülen. Für die Herstellung eines solchen „molekularen Teppichs“ entschieden sie sich nach intensiven Studien dafür, es mit einem Einkristall zu versuchen, also einem Kristall mit einem homogenen Schichtgitter.
Dem Doktoranden Patrick Kissel gelang es, spezielle Monomere herzustellen und diese in einem Einkristall zu kristallisieren. Er generierte hierfür photochemisch empfindliche Moleküle, für die eine solche Anordnung energetisch optimal ist. Diese wurden mit Licht mit einer Wellenlänge von 470 nm bestrahlt, und so wurde jede Schicht zum Polymer. Danach kochten die Forschenden den Kristall in einem geeigneten Lösungsmittel, um die einzelnen Schichten voneinander abzutrennen.
Mit jeder Schicht erhielten die Wissenschaftler das gewünschte zweidimensionale Polymer. Dass es dem Team tatsächlich gelungen war, flächige Polymere mit regelmäßigen Strukturen herzustellen, zeigten spezielle Untersuchungen am Elektronenmikroskop.
Die Forscher haben die komplette strukturelle Kontrolle über die Monomere. „Unsere synthetisch hergestellten Polymere sind zwar nicht leitfähig wie Graphen, dafür könnten wir sie aber beispielsweise zum Filtern kleinster Moleküle nutzen“, sagt Sakamoto. In den regelmäßig angeordneten Polymeren könnten auch winzige Hexagone entfernt werden, so dass dadurch eine Art Sieb entstehen würde. Zuerst müssen die Forscher jedoch einen Weg finden, größere Mengen von noch größeren Flächen des neuen Polymers herzustellen. Die Kristalle haben derzeit eine Größe von 50 µm.
Bevor sich die Forscher jedoch über konkrete Anwendungen Gedanken machen können, gilt es zunächst, die Materialeigenschaften zu charakterisieren. Physiker sollen klären, wie sich ein zweidimensionales Polymer im Vergleich zu einem linearen Polymer verhält. Schlüter geht davon aus, dass zweidimensionale Polymere eine andere Physik und damit andere Eigenschaften haben könnten. Als Beispiel nennt er die Eigenschaft „Elastizität“: Ineinander verschlungene lineare Polymere ermöglichen, dass ein gespanntes Gummiband zurückschnappt, sobald es losgelassen wird. Beim flächigen Polymer dürfte das nicht funktionieren. Dafür könnte dieses andere Merkmale haben – und damit neue Anwendungsbereiche erschließen. „Wir haben mit der Herstellung des Polymers einen großen Schritt in der Forschung gemacht, ganz unabhängig davon, was dieses neue Polymer alles kann. Wir lassen uns aber gerne überraschen“, so Schlüter.
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