Insekten haben im Gegensatz zu Wirbeltieren keine verkapselten und damit geschützten Gelenke. Diese sind der Umwelt direkt ausgesetzt. Wie sie genau aufgebaut sind war bisher unbekannt. In einer aktuellen Studie untersucht daher Dr. Konstantin Nadein vom Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) mit seinem Team die Kniegelenke des Großen Schwarzkäfers (Zophobas morio) untersucht: eine etwa 2 cm große Käferart, die vor allem in Mittelamerika, Kuba und Teilen von Südamerika vorkommt. Unter dem Rasterelektronenmikroskop entdeckte der Biologe unzählige feine Poren auf den Kontaktflächen der Kniegelenke, jede gerade einmal ein tausendstel Millimeter groß. Sie sondern dünne Stränge einer Substanz mit einer ungewöhnlichen, wachsartigen Konsistenz ab, die teilweise zerbrechen und kleine Klumpen bilden.
Bionik: Käfer-Schmiermittel ähnlich wie Teflon
Das Forschungsteam vermutet, dass es sich hierbei um eine Art Schmiermittel für die Gelenke handelt. Um das zu überprüfen, sammelten sie die Substanz und brachten sie zwischen zwei Glasoberflächen auf und maßen die Reibungskräfte, wenn die beiden Oberflächen gegeneinander bewegt werden. Zum Vergleich brachten sie in einem zweiten Versuch den Kunststoff Polytetrafluorethylen (PTFE) zwischen zwei Glasscheiben auf – besser bekannt unter dem Handelsnamen Teflon, das zum Beispiel als Pfannenbeschichtung eingesetzt wird. „Unsere Experimente zeigen, dass die Gleitwirkung der Käfersubstanz der von Teflon ähnelt, was bekanntlich die beste Antireibung-Wirkung hat, die sich zurzeit künstlich herstellen lässt“, fasst Nadein das Ergebnis zusammen.
Für Mikrorobotik oder winzige Prothesen
Da Insektengelenke grundsätzlich mechanischen oder künstlichen Mikrogelenken ähneln, könnte das leistungsstarke organische Käfer-Schmiermittel auch für technische Anwendungen interessant sein. Eingesetzt in der Mikrorobotik oder in winzigen Prothesen könnte es zum Beispiel ihre Funktionen verbessern, Verschleiß verringern und so ihre Lebensdauer erhöhen.
Bis es soweit ist, muss jedoch noch ein Weg gefunden werden, um die Käfer-Substanz kostengünstig und in größeren Mengen synthetisch herzustellen. Bisher wissen die Forscher nur, dass sie zum Großteil aus Proteinen besteht.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Konstantin Nadein
Funktionelle Morphologie und Biomechanik, CAU
E-Mail: knadein@zoologie.uni-kiel.de
https://doi.org/10.1098/rspb.2021.1065
www.sgorb.zoologie.uni-kiel.de