Moderne integrierte mikroelektronische Geräte sind oft schlecht reparierbar und nur schwer zu recyceln. Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft mit nachhaltigen Ressourcen, weniger Abfall und intelligenten Reparatur- und Recyclingstrategien kommt ablösbaren Klebstoffen eine Schlüsselrolle zu. Einen Ansatz für Klebstoffe, die sich „auf Kommando“ deaktivieren lassen, stellt ein Forschungsteam jetzt in der Zeitschrift Angewandte Chemie vor.
Kleben wie die Muscheln
Inspirationsquelle für den neuen Klebstoff waren die Meister des Unterwasserklebens: Muscheln. Schon früher entwickelten Forschende Muschel-inspirierte Klebstoffe. Diese basieren auf der so genannten Thiol-Chinon-Polyaddition, bei der Polymere mit adhäsiven Thiol-Catechol-Verknüpfungen entstehen, kurz: TCC (thiol-catechol connectivities). Für die starke Haftung sorgen dabei zwei benachbarte OH-Gruppen der aromatischen Sechserringe. Der Clou: Oxidiert man die Catechol-Gruppen der Klebstoffpolymere zu Chinonen, nimmt die Klebkraft dramatisch ab. Chinone sind Sechserringe mit zwei über Doppelbindungen verknüpften Sauerstoffatomen.
Über das Grundgerüst der Monomere lassen sich die Eigenschaften solcher Polymere einstellen. Kannan Balasubramanian, Hans Börner und ihr Team haben zwei verschiedene Typen von TCC-Klebstoffen mit hoher Klebkraft und Scherfestigkeit hergestellt. Das Team setzte sich zusammen aus Forschenden der Humboldt-Universität Berlin, dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS, Berlin), der Universidad Nacional de General San Martín (Buenos Aires), dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung in Potsdam-Golm sowie dem Unternehmen Henkel aus Düsseldorf.
Klebstoffreste lassen sich leicht abziehen
Das Forscherteam verglich biobasierte, peptidische Biscatechol-Ausgangsstoffe des so genannten Didopas, das ähnlich in den Muscheln vorkommt, mit ihrem Analogon auf fossiler Basis. Beide Klebstoffe funktionieren auch unter Wasser und sind unempfindlich gegenüber Luftsauerstoff sowie schwachen Oxidationsmitteln. Durch Oxidation mit dem stark oxidierenden Natriumperiodat (NaIO4) verlieren sie jedoch ihre Klebrigkeit, sodass sich die Klebstoffreste leicht in einem Stück vom Substrat abziehen oder abwischen lassen.
Kleben und recyceln: Klebstoff haftet stark, aber reversibel
Direkte elektrochemische Oxidation geplant
Die Oxidation des fossilen Klebstoffes inaktiviert die Catechole, macht aber den Klebstoff gleichzeitig wasserabweisender. Dementgegen zeigt der biobasierte Typ aufgrund vielfältiger anderer Peptidfunktionalitäten die Abschaltung, ohne signifikant hydrophober zu werden. Börner erklärt: „Die Multifunktionalität ist typisch für Biomaterialien, in denen oft nur die Schlüsselfunktionalitäten abgeschaltet werden und sich sonst nicht viel im Material ändert.“ Dieser Umstand ermögliche einen dramatisch effizienteren Entklebungsmechanismus, der beim biobasierten Typ die Klebkraft um 99 Prozent reduziert. Die Ursache für die schlechtere Abschaltung (60%) des fossilen Klebstoffes liegt in der Kompensation, da hydrophobe Polymere wie zum Beispiel in marktüblichen Bastelklebern auch sehr gute Klebstoffe darstellen.
Super-Kleber aus Misteln für medizinische und technische Aufgaben
Längerfristig arbeitet das Konsortium daran, die chemische Oxidation durch eine direkte elektrochemische Oxidation zu ersetzen, was beispielsweise für die Reparatur von kleinen elektronischen Geräten wiw Mobiltelefonen interessant sein könnte.
https://doi.org/10.1002/ange.202408441
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