Surface Acoustic Waves (SAWs) sind durch Hochfrequenzsignale induzierte Schallwellen, die sich an der Oberfläche eines Chips ausbreiten. Mit ihrer Hilfe ist es nun Forschern gelungen, lebende neuronale Zellen auf einem Bio-Chip gezielt in periodischen Abständen zu positionieren und darüber hinaus sogar das Wachstum der neuronalen Zellfortsätze zu beeinflussen. „Dies ist ein wichtiger Schritt Richtung sogenannter Brain-On-A-Chip Systeme und könnte elementar zum Verständnis der Prozesse im menschlichen Hirn beitragen“, sagt Prof. Achim Wixforth, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik I der Universität Augsburg
Mit Nanoerdbeben zu Schallwellen
Wixforth und die Biophysik-Gruppe seines Lehrstuhlteams um den Biophysiker Dr. Christoph Westerhausen haben weltweit einen Ruf als führende Spezialisten für die Wechselwirkung zwischen Zellen und sogenannten akustischen Oberflächenwellen auf einem Chip. Das Prinzip der von Wixforth entwickelten SAW-Technologie: Durch das Anlegen eines passenden Hochfrequenzsignals an die auf dem Chip angebrachten Elektroden erzeugen die Forscher ein „Nanoerdbeben“, in dessen Folge sich die Schallwellen kontrollierbar an der Kristalloberfläche des Chips ausbreiten.
Langzeitbiokompatibilität nachgewiesen
Westerhausen und seinem Kollege Manuel Brugger ist es nun gemeinsam mit Partnern von der University of California in Santa Barbara gelungen, auf der Grundlage dieser nanotechnologischen Methode einen neuartigen, weil dynamisch einstellbaren Ansatz zur kontrollierten und gezielten Zellpositionierung inklusive anschließender Anhaftung und Kultur der Zellen auf einem Mikrofluidik-Chip zu entwickeln: Durch akustisches Einfangen kleiner Polymerkügelchen und durch deren Positionierung in variablen Abständen demonstrieren die Nanophysiker die volle Breite der Adjustierungsmöglichkeiten, die dieser neue Ansatz bietet. Das Forscherteam kann weiterhin die Langzeitbiokompatibilität von Behandlungen nachweisen, die auf dem Wachstum diverser auf dem Chip gezielt beeinflusster Zellarten basieren– etwa Knochenkrebszellen, Nierenzellen oder Neuronen.
Ausrichtung von Zell-Zell-Verbindungen
„Das i-Tüpfelchen und wohl wichtigste Resultat unserer Arbeit ist die erfolgreiche Stimulation sehr empfindlicher, primärer neuronaler Zellen und der Auswüchse, die diese Zellen verbinden. Die Ausrichtung dieser Zell-Zell-Verbindungen stimmt in überzeugender Weise mit dem jeweils angelegten Schallwellenfeld und der daraus resultierenden Potentiallandschaft überein und erlaubt es, hier von der ersten Form eines mittels Schallwellen auf einem Chip generierten kleinsten neuronalen Netzwerks zu sprechen“, so Westerhausen.
Medizinische Anwendungen sind denkbar
Die Forscher schreiben, dass sie mit ihrer dynamischen Methode der biophysikalischen Grundlagenforschung längerfristig neue und weitreichende Perspektiven bieten – etwa zur Korrelation von Struktur, Signalausbreitung und Funktion neuronaler Netzwerke. Auch medizintechnische Anwendungen – etwa durch gezielte Zellwachstumsbeeinflussungen bei Rückenmarksverletzungen – seien noch Zukunftsmusik, aber durchaus denkbar.
www.physik.uni-augsburg.de/de/lehrstuehle/exp1/
http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevE.98.012411