Viele Menschen haben Angst vor einer Nadel. Das ist vor allem bei einer Blutabnahme ein Problem. Alternativ pieksen Ärzte bisher in die Fingerkuppe oder das Ohrläppchen. Doch für viele diagnostische Untersuchungen reicht dieser Tropfen Blut nicht aus, den man dadurch gewinnen kann. Vor allem aber sind damit gemachte Messungen oft ungenau. Laborwerte schwanken von Messung zu Messung.
Blutegel als Vorbild – als Alternative zur Spritzennadel
Forschende der ETH Zürich haben nun ein neues Gerät zur Blutentnahme entwickelt. Es funktioniert nach dem Blutegel-Prinzip und ist weniger invasiv als die Blutentnahme mit einer Nadel am Arm. Zudem ist es einfach zu handhaben, und auch Personen ohne medizinische Ausbildung können es verwenden. Mit dem neuen Gerät lässt sich zwar nicht so viel Blut gewinnen wie mit einer Nadel, aber deutlich mehr als mit einem Fingerstich. Die Messungen sind dadurch zuverlässiger.
Auf die Idee für das neue Gerät kamen die ETH-Forschenden, als sie zuvor etwas anderes entwickelt hatten: einen Saugnapf, der Medikamente über die Mundschleimhaut ins Blut transportiert. „Für dieses Projekt hatten wir bereits Blutegel studiert. Sie saugen sich an ihrem Wirt fest. Uns wurde klar, dass wir ein ähnliches System entwickeln könnten, um Blut zu gewinnen“, sagt David Klein. Er ist Doktorand in der Gruppe von Jean-Christophe Leroux, Professor für Galenik an der ETH Zürich, Schweiz.
Alternative: Statt einer Spritze gibt der Saugnapf das Medikament an den Körper ab
Blutegel-Verfahren ist effektiv und kostengünstig
Nachdem sich Blutegel festgesaugt haben, durchdringen sie mit ihren Zähnen die Haut und erzeugen durch ihr Schlucken einen Unterdruck, über den sie Blut aus der Wunde saugen.
Ganz ähnlich funktioniert auch das neue Gerät: In einem etwa 2,5 cm großen Saugnapf befinden sich ein Dutzend Mikronadeln, welche beim Anpressen die Haut punktieren. Der Unterdruck im Saugnapf sorgt dafür, dass sich innerhalb weniger Minuten genügend Blut darin sammelt. Dieses lässt sich für diagnostische Untersuchungen verwenden. Angebracht an Oberarm oder Rücken, ist der Saugnapf zudem außerhalb des direkten Blickfeldes der Patienten.
Das neue Gerät ist sehr kostengünstig herzustellen, wie Nicole Zoratto betont. Sie ist Postdoc in der Gruppe von Leroux und hat die Entwicklung geleitet. Eine künftige Anwendung sieht Zoratto daher auch in ressourcenschwachen Regionen wie Subsahara-Afrika, wo das neue Gerät einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Tropenkrankheit Malaria leisten könnte. Denn um Malaria zu diagnostizieren, muss den Patienten Blut abgenommen werden.
Keine Spritzennadel – geringe Verletzungsgefahr beim Saugsystem
Ein weiterer Vorteil des neuen Geräts: Die Mikronadeln befinden sich im Innern des Saugnapfs. Dadurch ist die Verletzungsgefahr beim Anwenden und Entsorgen geringer als bei der Blutentnahme mit klassischen Nadeln.
In der aktuellen Version des Blutegel-Geräts besteht der Saugnapf aus Silikon und die darin verborgenen Mikronadeln aus Stahl. Die Forschenden entwickeln jedoch bereits eine nächste Version aus vollständig biologisch abbaubaren Materialien, um ein nachhaltiges Produkt zu schaffen. Die Forschenden testeten ihr neues Gerät an Schweinen. Sie machten die vollständigen Herstellungsinformationen der Öffentlichkeit zugänglich.
Suche nach Partner für Markteinführung
Bevor das Gerät bei Menschen breit angewandt werden kann – in Malariagebieten und anderswo –, steht noch aus, die Materialzusammensetzung zu optimieren. Und vor allem müssen die Forschenden die sichere Anwendung mit einer kleinen Gruppe von Probanden testen.
Da solche Studien aufwendig und teuer sind, sucht die Forschungsgruppe noch einen Partner für die weitere Finanzierung, zum Beispiel eine gemeinnützige Stiftung. Sie hofft, dass die neuen Blutegel-Geräte schon bald einen Beitrag leisten können für die Gesundheit von Kindern und allen anderen, die sich vor Nadeln fürchten.
https://doi.org/10.1002/advs.202308809