Es soll dort reinigen, wo Zahnbürste und Zahnseide nicht hinkommen, in den Zwischenräumen: Das neue Zahnreinigungsgerät der Westfälischen Hochschule in Bocholt basiert auf dem Prinzip der Raspelzunge der Schnecke.
Das Problem liegt zwischen den Zähnen: 70 % der Zahnfüllungen wurden 2009 bei gesetzlich Versicherten nötig, weil zwischen den Zähnen Karies die Zähne angriff. Alle Parodontose geht auch von hier aus. Ursache sind Biofilme, die vor allem in den Zahnzwischenräumen weder von der Zahnbürste noch von Zahnseide ausreichend entfernt werden können. Das will ein Team um Prof. Dr. Andrea Springer von der Westfälischen Hochschule nun mit einer Kombination aus Bionik, Mikrotechnik und Nanotechnologie ändern.
Als ersten Schritt planen Springer und ihr Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studierenden und externen Unternehmenspartnern eine Diagnose-Einheit zu entwickeln. Mit deren Hilfe soll der Zahnarzt die Zahnzwischenräume seiner Patienten untersuchen und feststellen können, ob Zahn und Zahnfleisch gesund sind. Dabei kommt Mikrotechnik zum Zug, denn zwischen den Zähnen ist es so eng, dass nicht einmal die bisherige Röntgentechnik hier ausreichend Auskunft geben kann. Sensoren vermessen nicht nur mögliche Schäden, sondern geben auch ein genaues Bild der individuellen Geometrie zwischen den Zähnen, woraus der Zahnarzt auch ableitet, wie groß oder besser wie winzig die Reinigungseinheiten sein müssen.
Dann kommt die Bionik ins Spiel, denn zur Reinigung der Biofilme kopieren die Wissenschaftler technisch die Schneckenzunge: Mit feinsten Zähnchen auf der Zunge raspelt das Weichtier in der Natur Fressbares von Oberflächen ab. Nach diesem Vorbild soll eine Mikro-Reinigereinheit entstehen, die dahin kommt, wohin die Zahnbürste nicht reicht. Dabei sollen die Bakterienfilme schonend mechanisch abgetragen werden und so verhindern, dass die Säuren der Bakterien den Zahnschmelz angreifen. Das ist so gründlich, dass der Patient diese spezielle Reinigung sogar nur dreimal wöchentlich durchführen muss, um seine Zähne und sein Zahnfleisch dauerhaft zu schützen. Zum Zahnarzt muss er dafür nicht, sondern kann das bequem zu Hause selber machen.
Das Projekt „med.clean&control“ wird vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium im Rahmen des Programms „PerMed.NRW“ mit rund 320000 Euro gefördert und läuft über zwei Jahre. Mit im Forschungsboot sitzen drei Unternehmen: Die Firma Ingpuls aus Bochum kümmert sich um Sensortechnologie, ein Solinger Unternehmen soll die nötigen Werkzeuge bauen, damit die winzigen Geräte in Spritzgießtechnik produziert werden können, ein Unternehmen aus Witten konzipiert und entwickelt die Vermarktung.
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