Die Qualität von Präzisionsbauteilen über den gesamten Produktionsprozess durchgehend zu prüfen, ist nicht trivial. Oftmals werden die Bauteile über Werks- oder Unternehmensgrenzen hinaus gefertigt oder bearbeitet. Viele Komponenten sind nur wenige Millimeter groß, die Bauteilgeometrien sind komplex. Dabei liegen die Fertigungstoleranzen häufig bei nur wenigen Mikrometern.
Mit optischen 3D-Messverfahren lassen sich zwar Geometrie- oder Oberflächendefekte in der Produktion aufspüren. Wer jedoch aus wiederkehrenden Fehlern lernen möchte, muss in der Lage sein, die Messdaten intelligent zu nutzen und sie an jeder Stelle der Produktion individuellen Bauteilen zuzuordnen.
Rückverfolgbarkeit in der Produktion zeigt, wo sich Fehler wiederholen
Voraussetzung dafür ist eine Bauteil-Rückverfolgung. Dafür werden in der Regel Barcodes oder Datamatrixcodes genutzt. Bei Präzisionsbauteilen ist für solche Markierungen aber kein Platz. Das Track&Trace-Fingerprint-Verfahren vom Fraunhofer Instituts für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg ist hingegen markierungsfrei: Es nutzt die individuelle Mikrostruktur der Bauteiloberfläche für die Identifikation.
Im Projekt ProIQ haben Mitarbeiter des Fraunhofer IPM nun gemeinsam mit Partnern Technologien entwickelt, um das markierungslose Verfahren auch für rotationssymmetrische Teile nutzen zu können. Als Beispiel verwendeten sie ein Hochleistungsinjektor-Bauteil und eine Kopfwelle für ein filigranes Dentalinstrument.
Zu klein für Datamatrix? Dann wird die Oberfläche zum Marker für die Rückverfolgbarkeit
Ein definierter Bereich der Bauteiloberfläche wird für den Fingerprit mit einer Kamera hochaufgelöst aufgenommen. Aus der Bildaufnahme mit ihren spezifischen Strukturen und deren Position wird eine numerische Kennung errechnet und einer ID zugeordnet, dem Fingerprint. Diese Paarung wird in einer Datenbank hinterlegt. Zur späteren Identifizierung wird der Vorgang wiederholt, ein Datenabgleich liefert die ID zurück.
Wenn es wie bei ProIQ um rotationssymmetrische Objekte geht, ist die Schwierigkeit: Der Fingerprint-Bereich muss zur Identifikation exakt positioniert sein. Leichte Ungenauigkeiten können nur bei rechteckigen Bauteilen softwareseitig durch Verschieben oder Verdrehen der Aufnahme in den Fingerprint-Bereich korrigiert werden.
Rückverfolgbarkeit war für rotationssymmetrische Teile bisher schwierig
Nicht so bei rotationssymmetrischen Bauteilen: Hier bleibt die Rotationslage unbekannt, sodass die Fingerprints nicht abgeglichen werden können. Die Forscher vom Fraunhofer IPM haben nun den Track&Trace-Fingerprint-Algorithmus weiterentwickelt, sodass der Fingerprint Informationen aus allen Rotationslagen beinhaltet, gleichzeitig aber die dabei entstehenden redundanten Informationen verworfen werden. Damit ist ein Abgleich im Produktionstakt auch bei unbekannter Rotationslage möglich.
Bauteile für Injektor und Dentalinstrument als Versuchskandidaten
Dass dies funktioniert, wurde anhand von Präzisionsbauteilen der Projektpartner Robert Bosch GmbH und Sirona Dental Systems GmbH gezeigt: Bei Bosch gelang es dem Team, Düsennadeln für den Hochleistungsinjektor anhand der Stirnseite der zylinderähnlichen Bauteile seriennah zu identifizieren. Bei der Kopfwelle eines Sirona-Dentalbauteils stand keine Stirnfläche zur Verfügung, sodass hier die Mantelfläche mit einem eigens entwickelten Lesesystem aufgenommen wurde.
Eine besondere Herausforderung dabei war, dass die Bauteile geschliffen und gehärtet werden, was die Oberfläche verändert. Dennoch wurden zum Projektabschluss mit Ausnahme eines einzigen, stark beschädigten Bauteils alle Komponenten sicher identifiziert. Damit ist die markierungsfreie Rückverfolgung anhand der Oberfläche alternativen Technologien wie dem Datamatrix-Code deutlich überlegen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Tobias Schmidt-Schirling,
Tel.: +49(0)761-8857-281
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