Wie bewegen sich Immunzellen in entzündlichen Körperregionen? Und wie gelangen neu entwickelte Wirkstoffe dorthin, wo sie beispielsweise Tumore bekämpfen können? Die an der Universität Hamburg weiterentwickelte Methode der Röntgenfluoreszenz-Bildgebung erlaubt bei diesen Fragestellungen neuartige Einblicke. Sie könnte eine Schlüsselanwendung für das Verständnis medizinischer und pharmakologischer Fragestellungen sein. An der Universität Hamburg forscht ein Team um den Experimentalphysiker Prof. Dr. Florian Grüner daran.
Röntgenfluoreszenz-Bildgebung: Bisher nicht ohne Teilchenbeschleuniger
Trotz erster Durchbrüche bleibt ein bisher ungelöstes Problem: Die Bildgebungsmethode kann bisher nur an Teilchenbeschleuniger-basierten Synchrotronanlagen angewendet werden. Der Grund: Nur diese Großanlagen sind in der Lage, die speziellen, für die Bildgebung erforderlichen Parameter der Röntgenstrahlen zu liefern. Damit aber bleibt der Zugang zu dieser vielversprechenden Bildgebung stark eingeschränkt – etwa für den globalen Süden.
Nun will ein Team der Universität Hamburg den Zugang zu dieser Technologie verbessern, gemeinsam mit Siemens Healthineers und der TU Berlin. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Was können konventionelle Röntgenquellen leisten
Erster Schritt: Die Beteiligten wollen klären, ob konventionelle Röntgenröhren möglicherweise doch, entgegen der bisherigen Annahmen, die erforderliche Strahlqualität liefern könnten. Daran arbeiten die Hamburger gemeinam mit Forschenden der TU Berlin um Prof. Dr. Birgit Kanngießer.
Konventionelle Röntgenquellen sind weltweit im Einsatz. Bisher konnte man damit die schwachen Signale der Röntgen-Fluoreszenz nicht nachweisen. Nun ist es dem UHH-Team im Experiment gelungen nachzuweisen, dass ein Röntgen-Fluoreszenz-Spektrum, gemessen mit einem ersten Labor-Prototypen im CFEL-Labor, genauso aussieht als wäre das Spektrum an einem Synchrotron gemessen worden.
Röntgenfluoreszenz-Bildgebung: Ohne Teilchenbeschleuniger noch langsam
Allerdings war die Messzeit mit dem Laborsystem noch sehr hoch. Es dauerte etwa um den Faktor 15 länger als am Synchrotron bei gleicher Qualität. Genau diesen Faktor möchte das Team nun in einer Kooperation mit dem Team von Dr. Jörg Freudenberger von Siemens Healthineers und mit Hilfe einer BMBF-Förderung (Erum-Transfer) überwinden.
Prof. Dr. Florian Grüner und Dr. Jörg Freudenberger kennen sich bereits aus dem früheren Münchener Exzellenzcluster MAP. Siemens Healthineers ist weltweit führend bei Hochleistungs-Röntgenstrahlern. Hier könnte ein Ansatzpunkt liegen, um die Messzeit zu verkürzen.
„Die enge Kooperation mit Siemens Healthineers wird helfen, den großen Schritt von der Grundlagenforschung hin zu einer Anwendung in der Gesellschaft zu meistern“, sagt Prof. Dr. Florian Grüner. Nur in der Konstellation dieser Partnerschaft lasse sich das übergeordnete Ziel erreichen, die Röntgenfluoreszenz-Bildgebung in vielen, weltweit verteilten Laboren anwenden zu können. Das werde das Innovationspotential dieser Bildgebung deutlich vergrößern. Schließlich gelte: „Je mehr Daten vorhanden sind, desto mehr Ideen werden geboren.“
Mit der Röntgenfluoreszenz-Bildgebung auch den Spuren der Immunzellen
Erst kürzlich veröffentlichte das Team um Florian Grüner in der wissenschaftlichen Zeitschrift Scientific Reports eine Studie dazu, wie sich Immunzellen mit Hilfe von Röntgenfluoreszenz direkt nachverfolgen lassen. In enger Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf soll der Ansatz künftig wichtige Einblicke in die Ursachen und Dynamik von entzündlichen, immunvermittelten Krankheiten liefern.
Durch Bereitstellung von Messzeiten und Infrastruktur hat die Großforschungsanlage Desy mit seinem Synchrotron Petra III die Forschung stark unterstützt. In zwei weiteren BMBF-Projekten sollen die Bioverteilungen neuer Wirkstoff-Kandidaten gegen Krebs gemessen und mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet werden.
In weiteren Projekten entwickeln Teams eine neuartige und spezielle Röntgenoptik und versuchen, den ersten Labor-Prototypen noch kompakter zu bauen – um damit vor allem die Kosten für das Laborsystem zu senken und eine vollautomatische Bedienung zu ermöglichen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Florian Grüner
Universität Hamburg, Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften, Fachbereich Physik
E-Mail: florian.gruener@uni-hamburg.de