Zu innovativen Techniken für die intelligente Fertigung und Montage der Zukunft gehört, dass Menschen und Maschinen interagieren. Industrie 4.0? Das ist schon fast passé, sagen Forscher der Technischen Universität Ilmenau. Sie sind bereits in das Zeitalter von Industrie 5.0 gestartet und wollen den Menschen wieder ins Zentrum von Fertigungsprozessen in Industrie und Handwerk stellen.
Dabei ist der Mitarbeiter aber nicht allein unterwegs. Vielmehr sollen Menschen und Maschinen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz so aufeinander eingestellt sein, dass neue Fertigungsaufgaben schneller und effizienter als bisher gelöst werden können. Wie das funktioniert, gehörte zu den Fragestellungen des im Sommer 2024 zu Ende gegangenen Forschungsprojektes Engineering for Smart Manufacturing (E4SM).
Fünf Jahre haben die Beteiligten daran gearbeitet, dass Roboter, gestützt von KI, die eigenen Handlungen autonom auf die der Menschen in ihrem Umfeld abstimmen. Fertigungs- und Montageprozesse in kleinen und mittelgroßen Unternehmen, wie sie im mittelständisch geprägten Thüringen häufig vorhanden sind, standen dabei im Vordergrund.
3D-Multi-View-Stereosystem für sichere Zusammenarbeit
Auf dem Weg zur „Industrie 5.0“ erzielte das Projekt einige wichtige Ergebnisse. Dazu gehört ein 3D-Multi-View-Stereosystem, dass die sichere Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ermöglicht. Um den Menschen nicht zu gefährden, muss der Roboter dessen Handlungen im Montageprozess in der realen Umgebung dreidimensional erfassen können. Dazu setzten die Forscher multimodale Bildgebung ein, bei der Wärmebilder mit RGB-Farbbildern und mit 3D-Punktwolken zu sehr genauen großflächigen dreidimensionalen Abbildungen der Raumumgebung kombiniert wurden. Bei dem innovativen sensorbasierten 3D-Multi-View-Stereosystem kalibrieren sich die verschiedenen Kameras robotergestützt selbst.
Die Handlung zu erfassen, ist aber nur ein Schritt. Der Roboter muss, um autonom zu assistieren, auch erkennen können, um welche Montageaktion es gerade geht. Das ist vor allem abseits voll automatisierter Produktionsketten notwendig, dort, wo Roboter dem Menschen bei der Montage von Kleinserien assistieren und dabei Teilaufgaben übernehmen. Ohne lange angelernt werden zu müssen, soll der Roboter den Fortschritt der Montage beobachten und bei immer wiederkehrenden Aufgaben selbstständig tätig werden.
Dazu gehört, dass der Roboter KI-basiert auch die bei der Aktion des Mitarbeiters verwendeten Werkzeuge und Werkstücke erfasst und den jeweiligen Montagefortschritt erkennt. Auf dieser Basis entscheidet der Roboter selbst, wo er behilflich sein kann.
Auch kann der Roboter beliebige, ihm vorher nicht bekannte Objekte in der Einsatzumgebung finden und greifen. Nach bisherigem Stand der Technik funktioniert dies nur für vorher definierte, bekannte Objekte. Damit schuf das E4SM-Projekt die Voraussetzungen, um vorausschauend zu planen und später benötigte Objekte zu holen und anzureichen.
KI-unterstütztes Laserstrahlschweißen ist ein weiterer Bereich, in dem die Beteiligten vorankamen. Beim Laserstrahlschweißen waren bislang aufwendige und teure Spannvorrichtungen erforderlich, um zum Beispiel Bleche, die miteinander verbunden werden sollten, zu fixieren. Die Vision des E4SM-Projekts: Die zu verbindenden Bleche werden von Roboterarmen gehalten. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz lässt sich der Schweißvorgang kontaktlos analysieren, und damit ergibt sich die Möglichkeit, in Echtzeit vorauszusagen, wann ein Spalt entstehen wird. Durch kontrolliertes Zusammendrücken der Bleche können die Roboter dies vermeiden, sodass der Laser beide Bleche trifft und sie so verschweißen kann. Dabei sagt die KI auch die Kraft vorher, die erforderlich ist, um die Position der Bleche für den Schweißvorgang optimal anzupassen.
Intelligente Haut ermöglicht Nahfeld-Abtastung in der Robotik
So können Unternehmen selbst KI-basierte Systeme schaffen
Aber es soll nicht nur einen geben – nicht nur einen KI-gestützten Roboter aus dem E4SM-Projekt. Vielmehr haben die Beteiligten auch Verfahren für die Industrie entworfen, mit denen Unternehmen selbst KI-basierte Assistenzsysteme entwickeln können. Eine interaktive visuelle Werkzeugkette unterstützt KMU dabei, Anwendungen für die eigene Produktion aufzubauen. Da hierfür kein detailliertes Fachwissen erforderlich ist, ist der Entwicklungsprozess für Anwender wesentlich vereinfacht. (op)
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner der Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und Schott AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Horst-Michael Groß
Leiter Fachgebiet Neuroinformatik und Kognitive Robotik an der TU Ilmenau
E-Mail: horst-michael.gross@tu-ilmenau.de
Über das Projekt E4SM
Im E4SM-Projekt haben sieben Fachgebiete der TU Ilmenau mit Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammengearbeitet.
Beteiligt waren zum Beispiel:
- das Honda Research Institute Europe, bekannt für den autonomen humanoiden Roboter Asimo,
- die Robert Bosch GmbH,
- das Maschinenbauunternehmen Henkel und Roth aus Ilmenau mit Kompetenz in industrieller Montage,
- der Maschinen- und Anlagenkonstrukteur Laso Tech Systems aus Suhl, der umfassende Kenntnisse in Schweißtechniken aufweist,
- der Ilmenauer Hersteller von Servicerobotern und Roboterplattformen Metralabs sowie
- der TÜV Thüringen mit seiner Expertise für Sicherheitsaspekte.
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat das Projekt im Rahmen ihres Programms „CZS Durchbrüche“ zur Erforschung intelligenter Systeme mit 3 Mio. Euro für fünf Jahre gefördert.