Nanoteilchen mit veränderbaren Eigenschaften könnten in Zukunft gezielt Medikamente zu bestimmten Körperstellen transportieren. Das erste Polymer dieser Art reagiert auf zwei äußere Reize, und die Reaktion ist beliebig oft wiederholbar.
Polymere, wie sie in Plastikflaschen und Textilien verarbeitet werden, haben nach ihrer Herstellung feste, nicht veränderbare Eigenschaften. Das liegt an den sehr festen Bindungen, die die Bausteine dieser Polymere zusammenhalten. Grundsätzlich können Bausteine aber auch durch nicht-kovalente Bindungen gehalten werden, die sich relativ leicht durch äußere Reize beeinflussen lassen. Genau diese Bindungen in Molekülen nutzen Wissenschaftler vom Center for Nanointegration der Universität Duisburg-Essen (CeNIDE): Sie bauen ein lineares, langgestrecktes Polymer auf, das auf äußere Reize wie den pH-Wert der Umgebung sowie die An- oder Abwesenheit von elektrisch geladenen Metall-Ionen reagiert.
Das kann man sich so vorstellen: In einer Flüssigkeit schwimmen einzelne Moleküle. Werden Metall-Ionen hinzugefügt, passen diese wie eine Kugel in eine halbkugelförmige Schale am Molekül, sodass sich immer zwei Moleküle mit einem Metall-Ion in ihrer Mitte zusammenlagern. Vom pH-Wert her neutral, ziehen sich diese Molekül-Zwillinge untereinander an und bilden lange Ketten. Mehrere dieser Polymerketten wiederum lagern sich anschließend zu einem Knäuel zusammen.
Neu daran ist vor allem, dass solche Vorgänge bisher nur unter sehr speziellen Laborbedingungen ausgelöst werden konnten, und es durfte kein Wasser dabei sein – was die Sache für den praktischen Einsatz eher weniger geeignet erscheinen ließ. Beim neuen linearen Polymer nun liegen die Dinge anders, denn es bildet sich auch in Wasser. Mehr noch: Da sich das Polymer nur dann bildet, wenn beide „Reize“, also pH-Wert und Ionenkonzentration, exakt eingestellt sind, kann man die Materialeigenschaften sehr gezielt steuern.
Ein mögliches Einsatzgebiet für diese Ergebnisse der Grundlagenforschung könnte die Medizin sein, etwa die „target controlled drug delivery“, eine vom Zielgebiet ausgelöste Medikamentenfreisetzung. In einem gut verträglichen Polymerknäuel könnte zum Beispiel ein Medikament gegen bestimmte Tumorzellen deponiert werden. So ein Tumor zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass seine Blutgefäße recht löchrig sind und er einen niedrigeren pH-Wert aufweist als das ihn umgebende gesunde Gewebe.
Durch ein solches Loch in der Gefäßwand könnte das Polymerknäuel in den Tumor gelangen. Der niedrige pH-Wert in dessen Innerem lässt das Knäuel zerfallen, das Medikament wird freigesetzt – genau an der richtigen Stelle und ohne gesundes Gewebe zu beeinflussen. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, doch sind die ersten wichtigen Schritte getan. Für den Einsatz im menschlichen Körper könnte man beispielsweise auch Temperaturunterschiede nutzen, um die Bildung des Polymers nach dem gleichen Prinzip zu steuern.
Weitere Informationen www.uni-due.de/cenide/
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