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Plasmabeschichtung: Bessere Eigenschaften für Medizinprodukte

Atmosphärendruck-Plasmaschichtung
Plasmabeschichtung: Kunststoffe besser bedrucken und verkleben

Ein neuer Atmosphärendruckplasma-Beschichtungsprozess für dielektrische Materialien verbessert die Klebstoffhaftung an verschiedenen Kunststoffen sowie deren Bedruckbarkeit. Die Plasmaschichten bieten ein hohes Potential für industrielle Anwendungen in der Medizintechnik.

Oliver Beier, AD-Plasma-Applikationslabor, Innovent

Polymere zeichnen sich durch eine Vielzahl guter Eigenschaften aus, die ihnen eine breite Anwendung in technischen und medizinischen Bereichen ermöglichen. Je nach eingesetztem Material gehören dazu eine sehr gute chemische Beständigkeit, ein geringes Gewicht, gute Reibungseigenschaften oder hohe Korrosionsbeständigkeiten. Jedoch stellen bei ihrer Weiterverarbeitung, etwa durch Klebe- oder Druckverfahren, ihre unpolaren Eigenschaften und die daraus resultierende geringe Benetzbarkeit eine erhebliche Herausforderung dar.

In der Industrie besteht daher ein hoher Bedarf an neuen technischen Lösungen, um die Haftungseigenschaften von Polymeroberflächen zu verbessern. Damit verknüpft ist oft die Forderung, auf lösemittelbasierte Vorbehandlungsverfahren, wie Primer, oder den Einsatz von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Ätzmitteln zu verzichten. Entsprechende Alternativverfahren sind hier also gefragt.

Verfahren auch für thermisch sensible Kunststoffe geeignet

Dieser Aufgabe stellte sich nun ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, an dem sich die Alpo Medizintechnik GmbH, die Tigres GmbH und das Forschungsinstitut Innovent e.V. beteiligt haben. Den Forschenden es gelungen, einen Atmosphärendruckplasma-Beschichtungsprozess zu etablieren, über den sich haftvermittelnde Dünnschichten mit einem hohen Anteil an funktionellen chemischen Gruppen (beispielsweise Aminogruppen) an der Substratoberfläche realisieren lassen.

Diese sorgen für nachfolgende Verklebungen, Bedruckungen oder auch Lackierungen. Das Herzstück des Plasmaprozesses bildet das kommerziell verfügbare T-Jet-Plasmasystem der Tigres GmbH. Bei diesem System wird eine Coronaentladung zwischen zwei Elektroden im Inneren des Plasmakopfes generiert und durch einen Luftstrom auf das zu behandelnde, beziehungsweise zu beschichtende Werkstück geleitet. Aufgrund der kalten Plasmaentladung liegen die resultierenden Oberflächentemperaturen bei höchstens 80 °C, je nach Verfahrensführung sogar noch deutlich niedriger. Daher eigent sich der Prozess auch für thermisch sensible Kunststoffe.

Über Dosiersysteme und Plasmadüsen lassen sich chemische Vorläufersubstanzen in das Plasma einbringen und dünne Plasmapolymerschichten auf der Substratoberfläche abscheiden. Die Beschichtungsbreite mit einem Plasmamodul liegt in der Größenordnung von 40 bis 60 mm. Flächige Beschichtungen lassen sich über ein Abrastern der Bauteiloberfläche generieren.

Plasmabeschichtung: Für die Medizintechnik relevante Kunststoffe im Fokus

Die Projektpartner konzentrierten sich bei der Prozessentwicklungen auf die Kunststoffe PTFE und PMMA, beziehungsweise auf für die Medizintechnik relevante Schlauchmaterialien aus FEP, PTFE mit Co-extrudierten Wolfram-Röntgenkontraststreifen oder HDPE. Die Kunststoffschläuche kommen in Medizinprodukten wie arteriellen Kathetern zum Einsatz und müssen über Klebeprozesse in Kunststoffverbinder integriert werden. Im Falle der Fluorpolymere ist nach bisherigen Stand der Technik eine ausreichende Haftung nur dann gewährleistet, wenn der Schlauch über zusätzliche Metallhülsen im Verbinder fixiert wird.

Betrieben die Forschenden den Plasma-Beschichtungsprozess beispielsweise mit dem chemischen Vorläufer 3-Aminopropyltriethoxysilan (APTES), so konnten sie silikatische Plasmapolymerschichten generieren. Diese enthalten einen hohen Anteil an Stickstofffunktionalitäten, bis etwa 14 at.%. Die Dünnschichten führen zu einer besseren Benetzbarkeit der Kunststoffe, je nach Substratart und Schichtdicke bis zu superhydrophilen Eigenschaften. Zudem erwiesen sich die Stickstofffunktionalitäten gegenüber einer Wasserbeanspruchung als beständig.

Verbesserte Klebeeigenschaften und Bedruckbarkeit

Werden die Oberflächeneigenschaften der Kunststoffsubstrate gezielt angepasst, lässt sich die Haftung von Verklebungen, zum Beispiel auf Epoxidharz- oder Acrylatbasis, signifikant steigern. An PMMA-Stahl-Verbundproben, aufgebaut über einen 2K-Epoxidharz-Konstruktionsklebstoff, erzielten die Forschenden Haftfestigkeiten bis in den Bereich der Eigenfestigkeit des PMMA-Kunststoffes.

Im Fall von PTFE konnten die Wissenschaftler die Scherfestigkeiten des Klebeverbundes von 0,1 MPa auf 8 bis9 MPa erhöhen. Durch zusätzliches mechanisches Anrauen des PTFE, beispielsweise über Strahlprozesse, ließ sich die Scherfestigkeit sogar auf bis zu 13 MPa steigern.

Für den künftigen Einsatz in der Medizintechnik bauten die Partner durch das Verkleben mit einem zertifizierten Cyanacrylatklebstoff einen Verbund aus FEP-Schlauch/ABS Verbinder auf. Durch den Beschichtungsprozess, aber auch mittels Plasmaaktivierung ließ sich die nach DIN EN ISO 10555-1 geforderte Mindestzugkraft von 10 N zuverlässig erfüllen und reproduzierbar übertreffen.

Ebenso wiesen die Forscher nach, dass sich die Verbundproben sterilisieren lassen: mittels Dampfsterilisation oder Ethylenoxid-Sterilisation. Die Haftungswerte blieben dabei nahezu unverändert.

Auch eine Langzeitbelastung der Verklebung im Klimaschrank bei erhöhter Temperatur von 85 °C und 50 % relativer Luftfeuchte konnte der Haftung nichts anhaben. Die Bedingungen entsprechen einer geforderten Lagerbarkeit der vaskulären Medizinprodukte von mindestens fünf Jahren.

Vereinfachter Aufbau von Medizinprodukten möglich

Neben dem Schlauchmaterial FEP konnten die Forschenden auch bei d PTFE- und HDPE-Schläuchen die gestellten Haftungsanforderungen durch den Plasmaprozess erfüllen. Zukünftig können Medizinprodukte aus schwer zu verklebenden Polymeren daher über Direktverklebungen einfacher aufgebaut werden.

Durch die im Plasmaprozess erzielten speziellen Oberflächeneigenschaften lassen sich die Schläuche zudem besser bedrucken. Die bessere Benetzbarkeit geht dabei mit einem klaren Druckbild der mittels Tintenstrahldruck aufgebrachten Messskalen und Beschriftungen einher. Ein zweiter positiver Effekt ist die gesteigerte Tintenhaftung auf den getesteten Kunststoffschläuchen.

Beschichtungsprozess auch für andere Materialien interessant

Neben Kunststoffen ist der Plasma-Beschichtungsprozess allgemein auf dielektrischen Oberflächen wie Glas, Keramik, Holz, Textilien, Folien und anderen Materialarten anwendbar. In parallellaufenden Forschungsarbeiten ergaben sich beispielsweise Synergien bei der verbesserten Lackhaftung auf harzreichen Hölzern oder der Pulverlackhaftung auf Flachglas. Insgesamt bietet der entwickelte Beschichtungsprozess somit eine hohe Bandbreite an Applikationsmöglichkeiten in der Industrie.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt die vorgestellten Arbeiten unter dem Förderkennzeichen KK5088407AP1.

Kontakt:
INNOVENT e. V. Technologienentwicklung Jena
Dr. Andreas Pfuch, kommissarischer Bereichsleiter Oberflächentechnik
E-Mail: A.Pfuch@innovent-jena.de
www.innovent-jena.de

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