Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Bei dieser Form von Herzrhythmusstörungen ziehen sich Teile des Herzens, die Vorhöfe, nicht mehr richtig zusammen. Sie bewegen sich stattdessen schnell und ungeordnet. Dadurch wird der Blutfluss durch das Herz erheblich gestört. Vor allem an den kleinen Ausstülpungen des linken Vorhofs, dem so genannten linken Vorhofanhang, fließt das Blut turbulent und fast chaotisch. Dadurch können sich Blutgerinnsel bilden, die die Arterien verstopfen und zu einem Schlaganfall führen.
Viele Menschen mit Vorhofflimmern erhalten daher kleine Pfropfen, die ins Herz implantiert werden – ein etabliertes Verfahren. Diese „Okkluder“ verschließen das Herzanhängsel, so dass kein Blut mehr hineinfließen und sich somit kein Blutgerinnsel bilden kann.
Bei manchen Patienten funktioniert das gut. Die Okkluder sitzen perfekt. Bei manchen Patienten schließen sie jedoch nicht richtig ab. Es verbleiben kleine Lücken zwischen dem Verschluss und dem inneren Herzgewebe, durch die das Blut ein- und wieder ausströmen kann. Trotz des Verschlusses können sich also Blutgerinnsel bilden. Der chirurgische Eingriff war vergeblich.
Neue Okkluder mit individualisierbarer Passform
Ein Forscherteam des Hereon-Instituts für Aktive Polymere in Teltow hat sich deshalb vor einiger Zeit mit Ärzten der Berliner Charité zusammengetan. Gemeinsam entwickelten sie Verschlüsse, die sich präziser in die linke Vorhofgegend des Herzens einsetzen lassen. Diese seien in mehrfacher Hinsicht besser als herkömmliche Pfropfen, heißt es.
Bislang sind handelsübliche Okkluder nur in Standardgrößen mit festen Durchmessern erhältlich. Daher passen sie nicht immer perfekt. Die von dem Forscherteam entwickelten Okkluder können ähnlich wie die Blende einer Kamera geweitet und geschlossen werden – und lassen sich daher viel besser in der Öffnung des Anhängsels positionieren.
Positionieren der Okkluder: Sensoren helfen
Eine weitere Herausforderung: Ärzte führen die Okkluder minimal-invasiv über Katheter in das Herz ein, indem sie sie durch große Blutgefäße in den Vorhof schieben. Von außen lässt sich aber nicht wirklich beobachten, ob der Okkluder gut positioniert ist. Die Position können die Mediziner nur mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder Ultraschall korrigieren. Kleine Lücken zwischen dem Okkluder und dem Anhängsel sind so jedoch kaum zu erkennen.
Als Verbesserung dieser Situation sind auf den Oberflächen der neuen Okkluder daher hauchdünne Sensoren angebracht, die erkennen, ob sie fest auf dem Gewebe aufliegen oder nicht.
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Elektrospinnen für nanometerfeine Oberflächenstruktur
Die Herstellung solcher spezieller Oberflächen – sogenannter aktiver Polymeroberflächen – ist eine Kernkompetenz des Hereon-Teams. Für die Okkluder stellen sie zunächst ein hauchdünnes Gewebe aus Nanometer-Polymerfasern her. Dazu leiten sie ein flüssiges Polymer durch eine Düse, aus der die Fasern wie der Faden einer Spinne herausschießen.
Diese Fasern legen sie kreuz und quer übereinander, bis ein Gewebe entsteht, das unter dem Mikroskop dem feinen Faserknäuel eines Papiertaschentuchs ähnelt. Dieser Vorgang wird als Elektrospinnen bezeichnet. In einem zweiten Schritt integrieren die Forschenden die Sensoren in das Gewebe. Anschließend kleben sie das Gewebe auf den Okkluder.
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Ausgründung geplant – und danach präklinische Tests
Nach zwei Jahren Arbeit sind die ersten Prototypen entstanden. Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Projekt nun im Rahmen des Programms „Go Bio Initial“ mit über 1 Mio. Euro für weitere zwei Jahre. Damit testet das Forscherteam die Okkluder ab dem kommendem Jahr – zunächst in der präklinischen Phase – an echten Schweineherzen. „Das wird spannend, denn es wird sich zeigen, wie gut die Verschlüsse im lebenden, sich bewegenden Herzen funktionieren“, sagt Katarzyna Polak-Kraśna. Die Teltow-Forscherin leitet die Abteilung Digitales Design und Verarbeitung.
Nach erfolgreichen ersten Tests im Tierversuch plant das Team eine Ausgründung. Diese soll es ermöglichen, das Gerät in klinische Studien und in die Kliniken zu bringen, um die Behandlungsergebnisse der Patienten zu verbessern und ihr Schlaganfallrisiko zu senken.
Kontakt:
Helmholtz-Zentrum Hereon
Dr. Katarzyna Polak-Kraśna
Institut für Aktive Polymere in Teltow
E-Mail: Katarzyna.Polak-Krasna@hereon.de
www.hereon.de