Zahnimplantate ersetzen „nur“ den Zahn und helfen dem Körper beim Zermahlen der Nahrung. Andere Implantate haben komplexere Aufgaben: Sie sollen den Körper aktiv unterstützen– und werden daher „aktive Implantate“ genannt. Bekanntestes Beispiel ist der Herzschrittmacher: Der Mediziner platziert ihn im Brustbereich unter der Haut des Patienten. Dort gibt der Schrittmacher stimulierende Impulse ab, wenn sich der Herzrhythmus zu sehr verlangsamt.
Aktive Implantate wie Schrittmacher: Immer kleiner ist das Ziel
Eine Batterie versorgt das aktive Implantat mit der dafür nötigen Energie. Für neuartige Therapien, bei denen zukünftig kleine Implantate die Tabletteneinnahme zum Teil ersetzen könnten, sind jedoch kleinste Bauteile erforderlich. Sie müssen mit der verfügbaren Energie besonders sparsam umgehen. Das große Ziel: die maximale Schonung des Patienten und die patientenindividuelle Therapie.
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT mit Hauptsitz in Sulzbach unterstützen die Implantat-Hersteller dabei, solche Ziele zu erreichen: Sie arbeiten seit 20 Jahren an aktiven Implantaten und haben somit eine große Expertise aufgebaut. „Wir sind nicht nur ein Technologiepartner, sondern auch ein Systemanbieter im Bereich Design und Entwicklung aktiver Implantate“, sagt Andreas Schneider-Ickert, Projektleiter und Innovationsmanager am Fraunhofer IBMT. Gruppenleiter Roman Ruff ergänzt: „Schließlich arbeiten wir sowohl an der Miniaturisierung der Implantate als auch an der Biokompatibilität und Langzeitstabilität, dem Energieeintrag, der sensornahen Signalverarbeitung, alternativen Stimulationsmethoden und Implantat-Netzwerken.“
Beispiele: Handprothese und Theranostische Implantate
Ein Beispiel dafür sind Handprothesen: Über sie können Menschen, die eine Hand oder einen Arm verloren haben, bereits greifen – also die Hand öffnen und schließen – und die Hand drehen. Künftig sollen deutlich mehr Freiheitsgrade dazukommen, auch die derzeit nötigen Elektroden auf der Haut sollen dann passé sein.
Damit kommen neue aktive Implantate ins Spiel. „Wir haben unter anderem im Projekt Theranostische Implantate flexible, implantierbare Mikroelektroden entwickelt“, sagt Roman Ruff. „Auf diese Weise können wir die Elektroden in den Körper verlagern und die Nutzsignale direkt am Muskel oder am Nerv ableiten.“ Diese Signale gelangen zur Prothese, die sie dann in Bewegung umsetzt.
„Langfristig könnten Patienten mit solchen Prothesen deutlich näher an das Gefühl kommen, eine natürlich funktionierende Hand zu besitzen“, erläutert Ruff. Komplexere Bewegungen seien damit ja möglich. Zudem werde über die implantierten Elektroden ein Feedback in das periphere Nervensystem eingeprägt. Das rufe Wahrnehmungen hervor, „die zum Beispiel die veränderliche Griffkraft repräsentieren.“ Der Träger kann seine Prothese also wesentlich intuitiver steuern.
Ultraschall liefert Energie für aktive Implantate
Aktive Implantate benötigen aber immer Energie. Über Induktion lässt sich diese von außen zuführen – allerdings ist die Eindringtiefe in den Körper beschränkt. Für tief liegende Implantate verschlechtert sich der Wirkungsgrad der Induktion signifikant. Wird Energie hingegen via Ultraschall in den Körper übertragen, lässt sich „die Eindringtiefe um einen Faktor zwei bis drei erhöhen“, sagt Schneider-Ickert. Auf diese Weise lassen sich auch Implantate versorgen, die etwa in Titan gekapselt sind und die über Induktion nicht erreichbar sind.
Ein weiterer Vorteil der Energieversorgung und Kommunikation per Ultraschall liegt in der Sicherheit. Während sich induktive oder funkbasierte Schnittstellen hacken lassen, ist dies bei Ultraschall nur schwer möglich.
Im kürzlich gestarteten Projekt Soma arbeiten IBMT-Forscher mit sieben Partnern aus fünf europäischen Ländern daran, per Ultraschall auch Nerven zu stimulieren. „Könnten wir das periphere Nervensystem aus größerer Distanz zum Nerv über Ultraschall stimulieren, würde der Einsatz der Implantate für den Patienten noch schonender“, so Schneider-Ickert.
Vernetzte und miniaturisierte Implantate
Ein weiterer Zukunftstrend im Bereich der aktiven Implantate liegt darin, statt eines Zentralimplantats auf vernetzte Systeme aus mehreren stark miniaturisierten Implantaten zu setzen, die sich untereinander abstimmen. Diese Aufgabe bearbeiten 18 Partner, darunter das Fraunhofer IBMT, im Rahmen des BMBF-geförderten Innovationsclusters Interaktive Mikroimplantate, kurz Intakt.
Der Hauptvorteil solcher vernetzten Systeme liegt in einer höheren Biostabilität. „Die Sensoren und Aktoren können direkt in das Gehäuse integriert werden, auf empfindliche Kabelverbindungen kann man daher verzichten“, erklärt Ruff. Und sollte doch einmal ein Implantat ausfallen, so lassen sich diese Implantate wesentlich leichter ersetzen.
Drei Anwendungen, darunter ein Schrittmacher für den Darm
Drei Anwendungsfelder haben die Fraunhofer-Forscher dabei im Blick:
- Erstens einen Schrittmacher für den Gastrointestinaltrakt, der die Motilität – sprich die Fähigkeit zur aktiven Bewegung – des Darms über verteilte Implantate fördern oder hemmen kann.
- Zweitens eine Tinnitus-Suppression, die den Pfeifton über eine elektrische Stimulation so verrauscht, dass der Patient ihn nicht mehr so stark wahrnimmt.
- Und drittens eine Greifneuroprothese, die Querschnittsgelähmte, die über eine Restmuskelaktivität verfügen, bei der Armbewegung unterstützt, um beispielsweise ein Glas heben zu können.
Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT
Joseph-von-Fraunhofer-Weg 1
66280 Sulzbach
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