Normalerweise geht eine hohe elektrische Leitfähigkeit von Materialien mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit einher – und umgekehrt. In vielen High-Tech-Industrien besteht jedoch ein wachsendes Interesse an multifunktionalen Materialien, die eine gute elektrische Leitfähigkeit mit geringer Wärmeleitfähigkeit verbinden. Im Bereich der flexiblen, faltbaren Textilien ist dies immer noch eine große Herausforderung.
Vlies aus Kohlenstoff und Keramik
Ein Forscherteam an der Universität Bayreuth hat jetzt ein innovatives Konzept entwickelt, um diese Herausforderung zu lösen: Neue elektrogesponnene Vliese werden aus Kohlenstoff und siliziumbasierter Keramik hergestellt. Sie bestehen aus Fasern mit einem Durchmesser zwischen 500 und 600 nm.
Jede Faser enthält eine Matrix aus Kohlenstoff. Darin sind winzige Bereiche, die nur wenige Nanometer groß und mit Keramik gefüllt sind, gleichmäßig verteilt. Diese Keramikphasen bilden winzige „Inseln“ im „Meer“ der Kohlenstoffmatrix. Beide haben entgegengesetzte, sich ergänzende Wirkungen.
Kontinuierlicher Wärmefluss ist unmöglich
Die Kohlenstoffmatrix ermöglicht den Elektronentransport in den Fasern und damit eine hohe elektrische Leitfähigkeit, während die Keramikphasen die Ausbreitung von Wärmeenergie ebenso wirksam verhindern. Das liegt daran, dass die Grenzfläche zwischen der nanoskaligen Keramik und der Kohlenstoffmatrix sehr stark ist, während die Poren des Vliesstoffs sehr klein sind. Infolgedessen kommt es zu einer starken Streuung von Phononen, den kleinsten physikalischen Einheiten von Schwingungen, die durch thermische Energie verursacht werden. Ein kontinuierlicher gerichteter Wärmefluss findet nicht statt.
Wie ungewöhnlich die Kombination aus hoher elektrischer und extrem niedriger thermischer Leitfähigkeit ist, zeigt ein Vergleich mit rund 4000 anderen Materialien aller Art, darunter Keramiken, Kohlenstoffe, natürliche Materialien, synthetische Polymere, Metalle, Gläser und verschiedene Verbundstoffe. Elektronentransport und thermische Energieisolierung sind bei dem neuen elektrogesponnenen Faserverbundwerkstoff stärker gekoppelt als bei den anderen Materialien.
Vlies besteht aus handelsüblichen Polymeren
„Unsere elektrogesponnenen Vliese vereinen hochattraktive multifunktionale Eigenschaften, die normalerweise auf verschiedene Materialklassen verteilt sind“, sagt Dr. Xiaojian Liao, Postdoktorand für Makromolekulare Chemie an der Universität Bayreuth. Die Eigenschaften sind
- hohe elektrische Leitfähigkeit,
- thermische Isolierung, wie man sie von Polymerschäumen kennt, sowie
- Nichtentflammbarkeit und Hitzebeständigkeit, wie sie für Keramiken charakteristisch sind.
Die Fasern basieren laut Liao auf einem einfachen Materialkonzept und wurden aus handelsüblichen Polymeren hergestellt.
„Wir sind überzeugt, dass sich unsere neuen Fasern für mehrere Anwendungsbereiche eignen“, sagt Seema Agarwal, Professorin für Makromolekulare Chemie an der Universität Bayreuth. Als Beispiel nennt sie Energiemanagement, batteriebetriebene Elektromobilität, intelligente Textilien sowie Luft- und Raumfahrt.
Kontakt:
Universität Bayreuth
Prof. Seema Agarwal
Makromolekulare Chemie II
Telefon: +49 (0)921 55 3397
E-Mail: agarwal@uni-bayreuth.de
www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ade6066