„Herkömmliches Knochenersatzmaterial (KEM) entspricht zu wenig dem natürlichen Knochengewebe“, erklärt Prof. Steffen Witzleben von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, in dessen Arbeitsgruppe an Alternativen gearbeitet wird. „Das Material, das wir entwickeln möchten, soll in seiner Zusammensetzung dem natürlichen Gewebe nachempfunden werden.“ Dieses Grundgerüst, das später als Granulat oder in Pulverform vorliegen soll, wird mit anorganischen und mit organischen/makromolekularen kombinierten Bestandteilen hergestellt.
Zwei Aufgaben für das Material
Es hat zwei Funktionen: Zum einen ist es Knochenersatz, zum anderen dient es als Trägermaterial für Bisphosphonat-Wirkstoffe, die zunächst chemisch auf dem Träger gebunden sind. Diese Wirkstoffe regen die Osteoblasten, das sind die Zellen für den Knochenaufbau, zum Wachstum an.
Parallel untersucht das Forscherteam die Verkapselung der Bisphosphonat-Wirkstoffe in einem Depot aus Polymeren, die sich langsam auslösen und die Wirkstoffe noch stärker verzögert abgeben. Der Grund: Laut Witzleben darf die Abgabe der Wirkstoffe, die Releasefunktion, erst rund zwei Wochen nach der Operation beginnen.
Gegenspieler beim Knochenauf- und abbau
„Die Bisphosphonate und ihre Derivate wirken altersunabhängig“, sagt Professor Witzleben. Die neuartigen Hybrid-KEM wirken demzufolge auch dann, wenn altersbedingt die Osteoklasten, die für den Abbau der Knochenzellen verantwortlich sind, gegenüber den Knochen aufbauenden Osteoblasten im Verhältnis sozusagen die Oberhand gewinnen.
Zur Kontrolle, ob die neu zu entwickelnden Hybrid-KEM das einhalten, was sich die Wissenschaftler versprechen, werden auch kommerzielle KEM mit den Wirkstoffen behandelt und ihre jeweilige Wirkung auf die Zellsysteme untersucht. Die Untersuchung der Struktur und Morphologie der neuen Hybrid-Werkstoffe erfolgt durch Kernspinmagnetresonanz-Spektroskopie (NMR-Spektroskopie) und Röntgenstreuung. Anhand von befruchteten Hühnereiern lässt sich im Versuch zudem feststellen, ob in der Eihaut, wo zuvor Hybrid-KEM mit Bisphosphonat-Wirkstoffen zugeführt wurden, Osteoblasten wachsen.
BMBF fördert im Projekt den Ingenieurnachwuchs
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert in seinem Programm „Ingenieurnachwuchs“ das Projekt „Entwicklung neuer Hybride auf Phosphat/Silicat/Agarose-Basic als Knochenersatzmaterial mit Release-Funktion für Bisphosphonat-Wirkstoffe“ mit einer halben Million Euro ab Oktober 2018 für die Dauer von vier Jahren. Projektpartner sind die Universitäten Bonn und Jena, RWTH Aachen und die Ruhr-Universität Bochum.