Auch wenn Wind und Wellen die Küsten peitschen, haftet sie stoisch an Felsen, Booten und Stegen: die Muschel. Drüsen am Muschelfuß produzieren feine Haltefäden, die im Gegensatz zur Spinnenseide auch unter Wasser standhaft und dennoch hochelastisch bleiben. Bestandteil dieser Muschelseide sind unter anderem zwei Eiweiße, mfp-3 und das besonders schwefelhaltige mfp-6. Sie sind für die Biomedizin als Strukturproteine besonders interessant – aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften und der Bioverträglichkeit mit lebendem Gewebe.
Kleber soll am schlagenden Herzen haften
Diese Eigenschaften machten sich Empa-Forscher vom Biomimetic-Membranes-and-Textiles -Labor in St. Gallen zunutze. Das Team um Claudio Toncelli war auf der Suche nach einem bioverträglichen Gewebekleber, der auch unter den herausfordernden Bedingungen am schlagenden Herzen haftet und dennoch elastisch bleibt. Denn wenn Herzmuskelgewebe, etwa durch einen Infarkt oder eine angeborene Störung, geschädigt ist, müssen die Wunden heilen können, obwohl die Muskulatur permanent weiterarbeitet.
Inspiriert von der Lösung der Natur, statteten die Forscher Gelatine-Biopolymere mit funktionellen chemischen Einheiten aus, die jenen der Muschelseide-Eiweiße mfp-3 und mfp-6 gleichen. Sobald das Gelatine-Muschelseide-Gel mit Gewebe in Kontakt kommt, vernetzen sich die Strukturproteine miteinander und sorgen für eine stabile Verbindung der Wundflächen.
Kleber hält Blutdruck stand
Wie gut das neuartige Hydrogel tatsächlich klebt, haben die Forscher bereits in Laborexperimenten untersucht, mit denen sich technische Standards zur so genannten Berstfestigkeit nachweisen lassen. „Der Gewebekleber hält einem Druck, der dem menschlichen Blutdruck entspricht, stand“, so Empa-Forscher Kongchang Wei. Ebenso konnten die Wissenschaftler die gute Gewebeverträglichkeit des neuen Klebers in Zellkultur-Experimenten bestätigen. Nun arbeiten sie mit Hochdruck daran, die klinische Anwendung des Muschelklebers voranzutreiben.
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https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acsami.9b16465