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Strukturierter Papiersensor für In Vitro Diagnostik

In-Vitro-Diagnostik
Mit feinem Sensorstreifen Krankheiten erkennen

Um Krankheiten künftig direkt am Patienten schnell und einfach diagnostizieren zu können, hat ein Team aus Informatikern, Chemikern und Mikrotechnikern einen einfachen Papiertest entwickelt. Der Teststreifen verfügt über eine Mikrostruktur, die einen schnellen und quantitativen Nachweis möglich macht. Ausgewertet wird er per App.

Tim Schröder
Wissenschaftsjournalist in Oldenburg

Wenn es darum geht, bei einem Patienten zuverlässig eine Erkrankung zu diagnostizieren, benötigt der Arzt heute in vielen Fällen eine Laboruntersuchung. Das ist nicht nur kostspielig, sondern auch zeitraubend. Schneller und einfacher ist die Diagnose direkt am Patienten. Doch für viele Erkrankungen gibt es bislang keine entsprechend einfache und mobile Analysetechnik. Das will ein Forscherteam aus Braunschweig, Oldenburg und Tübingen jetzt ändern. Die Wissenschaftler haben einen Teststreifen aus papierartiger Nitrozellulose entwickelt, mit dem künftig verschiedene Krankheiten vor Ort diagnostiziert oder auch Umweltschadstoffe nachgewiesen werden können – ein Labor für die Westentasche.

Die erste Projektphase zur Entwicklung dieses „papierbasierten Low-cost-Sensors“ ist jetzt zu Ende gegangen, und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Teststreifen-Prototyp kann bereits zwei verschiedene Typen von Salmonellen und gleichzeitig das C-reaktive Protein (CRP) nachweisen – ein Eiweiß, das bei Entzündungen im Körper vermehrt im Blut zu finden ist.

Anders als herkömmliche Teststreifen wie etwa Lackmuspapier, mit dem man den pH-Wert von Flüssigkeiten bestimmt, besteht der neue Sensor nicht aus einem einfachen Stück Papier. Vielmehr werden mit einem Laser hochpräzise Kanäle von weniger als 1 mm Breite in das Material eingearbeitet. Ein wesentlicher Vorteil der feinen Kanäle besteht darin, dass die Flüssigkeit den Teststreifen in mehreren getrennten Kanälen sehr schnell durchwandert. In den Kanälen können parallel unterschiedliche Tests ablaufen, deren Ergebnisse bereits nach wenigen Minuten vorliegen.

Die Kanäle herzustellen, ist eine technische Herausforderung. „Nitrozellulose ist leicht entflammbar“, sagt Prof. Andreas Dietzel vom Institut für Mikrotechnik an der Technischen Universität Braunschweig. „Wir verwenden deshalb für die Strukturierung Ultrakurzpulslaser, mit denen man Material kalt abtragen kann. Die Laserpulse sind so kurz, dass sich das Material beim Bearbeiten nicht erhitzt.“

Zweistufiger Test liefert
ein Farbsignal

Krankheitserreger oder andere Substanzen werden durch ein Farbsignal in den Kanälen nachgewiesen. Dazu wird ein Sandwichassay genutzt: Zunächst docken die Zielsubstanzen aus der Flüssigkeit an Fängermoleküle an, die mit einem Farbstoff markiert sind. Im zweiten Schritt verbinden sich diese mit Antikörpern, die ebenfalls auf dem Teststreifen vorhanden sind, und werden damit sichtbar.

Das biochemische Design dieser Nachweisreaktion war Aufgabe der Forscher um Prof. Günter Gauglitz vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Tübingen. Gauglitz und sein Team entwickelten für die verschiedenen Substanzen Assays, die ein starkes rotes Farbsignal zeigen. Viele herkömmliche und einfache Teststreifen können lediglich die Existenz einer Substanz nachweisen und liefern damit nur ein Ja-oder-Nein-Ergebnis – „krank oder gesund“, „schwanger oder nicht schwanger“.

Dank der Mikrostrukturierung aber werden mit dem neuen Teststreifen jetzt auch quantitative Aussagen möglich – etwa über die Menge von CRP-Eiweißmolekülen, wodurch man künftig auf die Schwere einer Infektion wird schließen können. „Dank der Kanäle durchwandert eine Flüssigkeit den Teststreifen ungehindert und mit hoher Geschwindigkeit“, sagt Günter Gauglitz. „Die nachzuweisenden Substanzen erreichen das Farbassay gewissermaßen unter kontrollierten Bedingungen. Aus der Stärke des roten Farbumschlags können wir dann auf die Konzentration der Substanzen schließen.“

Bei herkömmlichen Teststreifen ist das problematisch, weil die Flüssigkeit vom Papier ungleichmäßig aufgesaugt wird. Eine kontrollierte Farbreaktion ist da schwierig. Gauglitz: „Wir haben für den Farbstoff und die verschiedenen Substanzen Konzentrationskurven bestimmt, mit denen das Messergebnis dann abgeglichen wird.“

Dieser Abgleich geschieht übrigens vollautomatisch. Dafür haben die Informatiker vom Oldenburger Institut für Informatik Offis gesorgt, die mit zum Projektteam gehören. Sie haben eine Smartphone-App entwickelt, die den Farbwert analysiert und das Ergebnis auf dem Bildschirm anzeigt. Die Entwicklung dieser App hatte es in sich, denn sie sollte besonders leicht zu handhaben sein: Ein Klick mit der Smartphone-Kamera, und schon ist das Ergebnis da.

App erkennt den Streifen und die Position automatisch

„Dafür mussten wir einige Hindernisse überwinden“, sagt der Offis-Informatiker Tobias Tiemerding. „Wir mussten die App so programmieren, dass sie den Teststreifen automatisch erkennt – und zwar unabhängig von der Entfernung zur Kamera und der Lage des Teststreifens.“ Tiemerding und seine Kollegen lösten das unter anderem mit winzigen QR-Code-Symbolen, die neben den Mikrokanälen in den Teststreifen eingebrannt werden. Daran orientiert sich die App, um den Streifen im Bild auszurichten. „Zudem mussten wir die Software so programmieren, dass sie einen Weißabgleich durchführt“, sagt Tiemerding, „denn je nach Umgebungslicht erscheint das Rot auf dem Teststreifen in ganz unterschiedlichen Farbtönen. Das muss berücksichtigt werden.“

Tiemerding betont, dass es bereits Apps gebe, mit denen man Teststreifen auswerten könne. „Dafür muss man das Smartphone aber in eine Halterung einspannen, um einen genau definierten Abstand einzuhalten. Bei manchen Produkten muss der Teststreifen sogar in einem Gehäuse mit Blitz fotografiert werden, damit das Umgebungslicht die Messung nicht verfälscht.“ All das sei viel zu aufwendig, insbesondere dann, wenn die Teststreifen künftig in Entwicklungsländern eingesetzt werden sollen. „Die Lösung muss einfach und billig sein. Wenn man für die Analyse extra Zubehör kaufen muss, dann ist das schon ein Ausschlusskriterium. Wir hingegen brauchen tatsächlich nicht mehr als ein Smartphone und den Teststreifen, der künftig weniger als 30 Cent kosten soll.“

Bei der Entwicklung der Software hatten die Offis-Experten auch die neue europäische Medical Device Regulation (MDR) im Blick, die künftig höhere Anforderungen an die Prüfung und Zuverlässigkeit von Software stellt. „Wir haben die App in dieser Hinsicht programmiert“, sagt Tiemerding. „Die MDR sieht aber auch zahlreiche Tests vor, die den Rahmen der ersten Projektphase gesprengt hätten. Diese werden wir mit einem weiteren Partner jetzt in der zweiten Projektphase angehen.“

Dann soll auch der Sensor weiterentwickelt werden. So wollen die Partner künftig selbst sehr kleine Moleküle nachweisen können – etwa Rückstände von Medikamenten im Abwasser von Kläranlagen. Zudem soll die Analyse noch optimiert werden. Da Flüssigkeiten wie etwa Blut unterschiedlich viskos sein können, ändert sich auch das Fließverhalten in den Kanälen, was die Farbreaktion beeinflusst. Deshalb wird auf dem Teststreifen jetzt eine Funktion zur Auto-Kalibrierung realisiert.

Wann der Teststreifen auf den Markt kommen wird, können die Projektpartner derzeit noch nicht sagen. Da das Projekt vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen unterstützt wird, stehen Industrieunternehmen beratend zur Seite, damit die Teststreifen eine gute Chance haben, Produktreife zu erlangen.

Weitere Informationen:

www.imt.tu-bs.de/

www.offis.de

www.mnf.uni-tuebingen.de


Mit dem Laser fein geschnitten

Mit dem Ultrakurzpulslaser schneiden die Forscher nicht nur das Papier für den neuen Sensor. Auch filigrane Sensornetzwerke, die auf dünnen Folien hergestellt werden, lassen sich damit verändern. So werden die Trägerfolien durchlässig und dehnbar, können in ein Silikonmaterial eingebettet werden und bekommen zum Beispiel die Form eines bequem auf die Haut applizierbaren Sensorpflasters.

Ein Video zu solchen Sensoren, die für die Atmungskontrolle eingesetzt werden könnten, ist auf der Homepage des Instituts für Mikrotechnik an der Technischen Universität Braunschweig zu sehen:

http://bit.ly/2AY2muq/

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