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Sensorbestückte Dummys messen, wie kalt es auf dem OP-Tisch wird

Energieeffizienz im OP-Saal
Mit Dummys zur Wohlfühltemperatur im OP

Smarte Dummys erkennen dank Sensortechnologie und mathematischer Modellierung, wie sich Patienten im OP-Saal am Besten warm halten lassen – ohne dass gleichzeitig die Ärzte ins Schwitzen kommen. Die Dummys liefern auch Erkenntnisse über energiesparende Maßnahmen am Arbeitsplatz.

Während eines mehrstündigen chirurgischen Eingriffs ist es wichtig, dass der Körper des Patienten nicht zu stark auskühlt. Verliert der Patient zu viel Wärme, steigt das Risiko für Komplikationen, und die Heilungschancen verschlechtern sich. Gleichzeitig benötigen die Ärzte zum Operieren etwas niedrigere Temperaturen, um nicht ins Schwitzen zu geraten. „Bisherige Möglichkeiten, den Patienten warm genug zu halten, bestehen allerdings aus wenig nachhaltigen Einweglösungen oder umständlichen, schwer desinfizierbaren Aufbauten“, sagt Agnes Psikuta. Die Forscherin vom „Biomimetic Membranes and Textiles“-Labor der Empa im schweizerischen St. Gallen hat sich deshalb vorgenommen, belastbare Daten zum Raumklima im Operationssaal zu generieren. Ihre „Arbeitskollegen“ sind zwei speziell ausgerüstete Dummys: „Andi“ und „Hvac“.

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Empa-Forscherin Agnes Psikuta positioniert den Dummy „HVAC“ für die Datenmessung in einer Klimakammer
(Bild: Empa)

Dummys vollgepackt mit Sensoren

Der futuristisch anmutende Hvac, kurz für „Heating, Ventilation, Air Conditioning“, ist ausgestattet mit Sensoren für Lufttemperatur, Feuchtigkeit und Luftbewegung. Insgesamt 46 Messfelder durchbrechen die Kunststoffschale des Dummys, mit denen er die Wärmestrahlung aus der Umgebung quantifiziert und beispielsweise Sonnenwärme von Heizungsluft unterscheiden kann.

Sein Partner mit dem schlichten Namen Andi ergänzt Hvacs Daten optimal. „Andi ist der Typ für das große Ganze, er nimmt die Wärmebilanz auf, die ein Mensch unter den gegebenen Bedingungen hat“, erklärt Agnes Psikuta. Hierzu hält Andi seine Betriebstemperatur konstant auf 34 °C, was der Hauttemperatur eines Menschen in der Komfortzone entspricht.

Komfortzone bedeutet hierbei, dass der Körper eines gesunden Erwachsenen seine Kerntemperatur von 36,5 bis 37,5 °C mit minimalem Aufwand konstant halten kann. „In der Komfortzone schwitzt der Mensch nicht, er zittert nicht vor Kälte und friert nicht an Händen und Füssen, weil er seine thermische Balance mit Leichtigkeit aufrechterhalten kann“, sagt die Forscherin.

Virtuelles thermisches Modell liefert Lösungen

Die mathematische Modellierung dieser kombinierten Daten ergibt schließlich ein virtuelles thermisches Modell eines Menschen,ob am Arbeitsplatz oder auf dem OP-Tisch. In einem Projekt mit der Technischen Universität Warschau ermitteln Hvac und Andi daher, wie leicht zu desinfizierende Infrarotlampen im OP-Saal positioniert werden müssten, ohne die komplexen räumlichen Gegebenheiten während des Eingriffs zu behindern. Außerdem darf die Wärmestrahlung weder das Gesundheitspersonal aufheizen noch gar Hautverbrennungen beim Patienten hervorrufen.

Während Hvac mit seiner dichten Matrix an Sensoren den Wärmefluss von der Lampe zum Körper misst, berechnet Andi die gesamte Wärmebilanz eines Patienten inklusive der aktuellen Raumtemperatur. Mit den modellierten Daten soll die Position und Leistung der Wärmelampen für verschiedenste Situationen ermittelt werden“, sagt die Empa-Forscherin. „So hoffen wir, ideale Operationsbedingungen ohne Risiko einer Unterkühlung schaffen zu können.“

Energiebedarf von Gebäuden optimieren

In einem weiteren, vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Projekt untersucht Agnes Psikuta gemeinsam mit Partnerinstituten an der EPFL und der polnischen „Silesian University of Technology“, wie Hvac und Andi mit den Parametern von realen Bürobedingungen im Jahreszeitverlauf zurechtkommen.

Am Ende soll es möglich sein, aufgrund dieser Arbeiten den Energiebedarf von Gebäuden zu optimieren. „Im Hochsommer laufen Klimaanlagen auf Hochtouren, um beispielsweise Großraumbüros komplett zu kühlen. Wie effektiv die Situation für den jeweiligen Arbeitsplatz ist, ist aber unklar“, so die Empa-Forscherin.

Hightech-Bekleidung und Schutz für Feuerwehrleute

Es gibt aber auch noch weitere High-Tech-Dummys: „Henry“ geht für die Forschenden durchs Feuer. Er soll helfen, neue Schutzausrüstungen für die Feuerwehr zu optimieren. Die Schwitzpuppe „San“ („Sweating Agile thermal Manikin“) kann hingegen sportliche Betätigungen wie Bergsteigen ausführen und dabei dank 125 Wasserdüsen die Schweißabsonderungen eines Menschen simulieren. Mithilfe von Sam entwickelten Empa-Forschende und ihre Industriepartner bereits atmungsaktive Textilien mit dem Sportbekleidungshersteller KJUS in Risch-Rotkreuz (ZG) oder dem Schweizer Pyjama-Start-up Dagsmejan.

Kontakt:
Empa
Dr. Agnes Psikuta
Biomimetic Membranes and Textiles
Telefon: +41 58 765 76 73
E-Mail: agnes.psikuta@empa.ch
www.empa.ch

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