Für die Weiterbildung von Medizinern und Entwickler-Workshops der Medizintechnik-Industrie ist die Schweizer Akademie für Medizinisches Training und Simulation (AMTS) die richtige Adresse. Ihr Leiter, Dr. med. Roger Zobrist, erläutert die Perspektiven – und Umzugspläne.
Herr Dr. Zobrist, was hat die AMTS in den vergangenen gut vier Jahren für Mediziner und die Medtech-Industrie angeboten?
In den Räumen der AMTS in Luzern haben wir die Infrastruktur aufgebaut, um in einem realistischen OP-Umfeld Mediziner auszubilden und weiterzubilden, aber auch Entwickler-Workshops aus der Medizininaltechnik durchzuführen. Dafür nutzen wir, abhängig vom Fachgebiet, sowohl Simulatoren als auch Präparate von Köperspendern. Unser inhaltlicher Schwerpunkt ist die muskuloskelettale Chirurgie, und in diesem Segment waren die meisten der rund 350 Veranstaltungen angesiedelt, die wir im Jahr 2012 angeboten haben. Wir sind aber auch im Bereich Laparoskopie, Gefäßchirurgie und interventionelle Radiologie tätig.
Liegt Ihr Hauptaugenmerk auf dem Gebiet der Medizin oder der Industrie?
Rund 80 Prozent der insgesamt 6500 Teilnehmer im Jahr 2012 waren Mediziner, die wegen medizinischer Kurse zu uns kamen. Die übrigen Teilnehmer waren im Medizinalbereich tätig, sei es in der Industrie oder im Pflegebereich. Bei den Anmeldungen aus der Industrie verzeichnen wir allerdings das stärkste Wachstum. Daher rechnen wir im Durchschnitt mit einem etwa zehn- bis fünfzehnprozentigen Zuwachs in den kommenden Jahren, zu dem der Bereich der Industrie-Workshops sicher stärker beitragen wird. Das liegt natürlich daran, dass im Rahmen der Zertifizierung neuer Produkte gewisse Maßnahmen gesetzlich vorgeschrieben sind, darunter auch Tests der Prototypen in einem Umfeld, wie wir es bieten.
Wie arbeiten Sie mit der Industrie zu- sammen?
Abgesehen von den Workshops, in denen es um konkrete Produkte geht – meist Implantate für die Bereiche Orthopädie, Trauma, Prothetik oder Arthroskopie –, wenden sich auch Unternehmen an uns, die Chancen in einem möglichen neuen Geschäftsfeld bewerten wollen. Dazu können wir mit unserem eigenen Know-how beitragen, oder wir stellen eine Expertengruppe zusammen, um möglichst schnell alle wichtigen Informationen und kritischen Fragen zu einem Markt beantworten zu können.
Sie nennen eine Reihe von Partnern aus der Industrie. Gibt es Unternehmen, mit denen Sie organisatorisch verbunden sind?
Nein, wir legen großen Wert darauf, dass wir eine unabhängige Institution sind. Die AMTS ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien mehrheitlich in privatem Besitz sind. In der Aufbauphase haben uns zwar einige Unternehmen finanziell unterstützt, was uns sehr geholfen hat. Inzwischen haben wir diesen gegenüber allerdings keinerlei Verpflichtungen mehr. Was uns natürlich freut, ist, dass zum Beispiel Siemens und Smith&Nephew Geräte für unsere Arbeit zur Verfügung gestellt haben: eine komplette Bildgebung sowie Endoskopietürme.
Gibt es im internationlen Medizinmarkt viele Institutionen, die vergleichbare Leistungen anbieten?
Das ist schwierig zu beantworten, da beinahe jedes anatomische Institut gewisse Möglichkeiten für Untersuchungen bietet. Wenn man die größeren Zentren betrachtet, findet man in Europa etwa eine Handvoll mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Wir sehen unsere Chance darin, nicht nur die hohe Qualität anzubieten, die im Medizinalbereich gefordert ist, sondern den Unternehmen auch kurzfristig Entwickler-Workshops zu ermöglichen.
Sie sind einer der Partner in der Schweizer Expertgroup. Welche Rolle übernimmt die AMTS hier?
Die Expertgroup wurde im Rahmen des Medical Cluster gebildet, und darin sind verschiedene Fachrichtungen vertreten: Design, Entwicklung, Fertigung. Das gemeinsame Ziel ist das Human Centered Design, also Technologie und Gebrauchstauglichkeit zusammenzubringen. Die AMTS deckt in der Expertgroup die Bereiche Simulation, Wetlabs – also die Arbeit am anatomischen Präparat in der Spitalumgebung – sowie Usability Labs ab. Im Juli fand in unseren Räumen in Luzern zum Beispiel als eintägiger Workshop das erste Wetlab des Medical Cluster statt, bei dem die Teilnehmer erfuhren, wie sich Usability-Tests im OP erfolgreich durchführen lassen.
Haben Teilnehmer selbst Hand angelegt?
Bei diesem Workshop nicht. Was Usability bedeutet, wurde in Vorträgen erläutert und am Beispiel einer Unterschenkel-Marknagelung am ananomischen Präparat gezeigt. Dabei ging es darum zu zeigen, worauf der Chirurg seine Schwerpunkte legt, welche Bedürfnisse er bei diesem Eingriff hat und welche Probleme beim Einsatz der Instrumente auftreten. Das sind Ansatzpunkte für Verbesserungen.
Wie wird die Zukunft der Weiterbildung aussehen?
Wir glauben, dass E-Learning für die Ausbildung von Assistenzärzten und Mitarbeitern der Medtech-Industrie großes Potenzial hat. Daher entwickeln wir drei Prototypen für die Themen Anatomie, Untersuchungstechnik und Bildgebung.
Die AMTS wird 2014 in der Nähe von Basel neue Räume in Betrieb nehmen. Was versprechen Sie sich von dem Neuanfang?
Wir sehen darin eine große Chance, uns noch besser an die Bedürfnisse des europäischen Medizintechnikmarktes anzupassen. Schon heute kommen nur 30 Prozent unserer Teilnehmer aus der Schweiz, alle anderen aus Europa oder Übersee. Für diese ist unsere zukünftige Nähe zum Flughafen Basel/Mulhouse ein großer Vorteil: Unsere Räume in der neuen Rennbahnklinik in Muttenz sind von dort in einer Viertelstunde zu erreichen. Daher freut es uns besonders, dass wir von der Pensionskasse für Ärzte und Tierärzte, die die Klinik baut, eine Einladung bekommen haben, uns dort wiederum auf rund 2000 Quadratmetern einzurichten. Wir werden bei diesem Schritt einige Angebote hinter uns lassen, die kaum nachgefragt wurden. Gleichzeitig können wir unsere Prozesse optimieren und zum Beispiel auch kleinere OP-Raum-Einheiten für Entwickler-Workshops bieten.
Welche Bedeutung hat die AMTS für die Schweizer Medizinprodukte-Branche?
Man darf die Schweiz nicht isoliert betrachten. Schließlich sind so gut wie alle Unternehmen mindestens in ganz Europa oder sogar global tätig. In Europa aber ist die AMTS einer der führenden Anbieter von Weiterbildungen und Entwickler-Workshops.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Ihr Stichwort
- Medizinisches Fachwissen
- Entwickler-Workshops
- Schwerpunkt muskuloskelettale Chirurgie
- E-Learning
- Zukünftiger Standort nahe Basel
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