Neue in vivo-Biomaterialtestverfahren sollen Tierversuche zur Überprüfung implantierbarer Biomaterialien signifikant reduzieren. Gleichzeitig bietet das Verfahren auch wirtschaftliche Vorteile.
Die Gewebeverträglichkeit von Biomaterialien spielt bei einer Vielzahl medizinischer Applikationen eine entscheidende Rolle. Aktuelle, moderne Biomaterialentwicklungen zielen auf bioaktive Materialkompositionen, die das Einheilen in den Körper in einer vorher bestimmbaren Weise steuern sollen. Für die Analyse der Biokompatibilität und Biofunktionalität dieser medizinischen Kombinationsprodukte aus Pharmaka und Trägermaterial sind Tierversuche in der präklinischen Entwicklungsphase bisher unabdingbar.
Typischerweise werden hierzu histologische Untersuchungen durchgeführt. Mikroskopische Analysen an der Grenzfläche zwischen Implantat und Gewebe geben unter anderem Auskunft über Materialabbau und Fremdkörperreaktionen. Wollte man aber diese kontinuierlich variierenden biologisch-chemischen Prozesse in kurzen Zeitabständen an einer Vielzahl von Materialkombinationen überprüfen, müsste eine entsprechend große Zahl von Versuchstieren geopfert werden. Die Entwicklung eines neuen Testverfahrens, das zur Reduzierung der Tierversuche führt, ist daher mehr als wünschenswert.
Hier setzt das EU-Verbundprojekt „Biomaterial Implant Monitoring Test“, kurz BiMoT, des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts (NMI) an der Universität Tübingen BiMoT an. Die Forscher entwickeln für die kontinuierliche Überwachung der Gewebe-Biomaterial-Interaktion ein mittel- bis langzeitstabiles, drahtlos ansteuerbares Mikrosensorimplantat. Ein Mikrochip mit chemischen und physikalischen Sensoren wird zusammen mit einer Telemetrieeinheit verkapselt, mit einem zu testenden Biomaterial beschichtet und in das Tier implantiert. Die Messung der physikalisch-chemischen Eigenschaften an der Grenzfläche von Biomaterial und Gewebe erfasst damit das Einwachsverhalten im Weichgewebe.
Als erstes repräsentatives Prüfbeispiel werden Titanschwämme und bioaktive Hydrogele getestet. Diese Materialien sollen später kombiniert in der Luftröhrenersatztherapie zur Anwendung kommen. Der auf diese Weise entwickelte neue in vivo Biomaterialtest kann in einem weiteren Schritt auf andere Biomaterialarten übertragen werden.
Neben der Reduktion von Tierversuchen bietet die alternative Testmethode zusätzlich wirtschaftliche Vorteile: Der Einsatz eines Mikrosensorimplantats ermöglicht die parallele Validierung einer hohen Anzahl chemischer Variationen desselben Materials bei gleichzeitig niedrigen Kosten. Die erfassten Parameter sind zudem quantifizierbar und ermöglichen so eine eindeutig nachvollziehbare Abgrenzung unterschiedlicher Einwachsverhalten – eine wertvolle Unterstützung bei der Zulassung innovativer Implantatmaterialien mit stetig steigenden Anforderungen im Bereich Tissue Engineering und Regenerativer Medizin.
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