Titanlegierungen sind Schlüsselmaterialien für die Luftfahrt und die am häufigsten eingesetzten Metalle für biomedizinische Implantate. Dass sie noch weitaus mehr können, zeigt nun Matthias Bönisch vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden. Er hat im Rahmen seiner Doktorarbeit die Kristallstruktur von Titan-Niob-Legierungen eingehend untersucht und festgestellt, dass diese Materialien besonders stark auf Temperaturveränderungen reagieren. In einem Temperaturbereich von 150°C dehnen sie sich um mehr als das Dreifache aus als bei Festkörpern üblich. Außerdem hat er herausgefunden, dass die thermische Ausdehnung in Titan-Niob Legierungen sehr stark richtungsabhängig ist, sodass entlang einer Richtung eine Schrumpfung stattfindet während entlang der beiden anderen Richtungen Dehnung passiert. Dieses Ausmaß der thermischen Ausdehnung ist stärker als in allen bisher untersuchten Metallen und Legierungen.
Aufheizen per Röntgenstrahl
Diese Beobachtungen wurden mit Hilfe von Röntgenbeugung am Synchrotron ESRF in Grenoble, Frankreich, in Zusammenarbeit mit Dr. Ajit Panigrahi von der Universität Wien durchgeführt. Dazu wurden die Legierungen im Röntgenstrahl aufgeheizt und dabei die strukturellen Veränderungen der einzelnen Phasen in Abhängigkeit von der Temperatur mitverfolgt. Diese Messungen ermöglichten es, die Phasenzusammensetzung sowie die Gitterparameter der einzelnen Phasen zu bestimmen.
Maßgeschneiderte Ausdehnung
Die neuen Ergebnisse können helfen, neuartige Materialien mit maßgeschneiderter thermischer Ausdehnung zu entwickeln. Ein großer Vorteil, den diese Legierungen aufweisen, ist dass sich die Wärmeausdehnung durch Wahl des Verhältnisses von Titan-Atomen zu Niob-Atomen einfach anpassen lässt. Keramiken hingegen haben in dieser Hinsicht nur sehr geringen Spielraum. In Kombination mit den beobachteten neuartigen Phasen dürften sich neue Anwendungsgebiete für Titan-Niob-Legierungen in der Biomedizin und in der Luftfahrt erschließen.
Die Forschungen sind Teil eines interdisziplinären Projekts innerhalb der Europäischen Trainingsnetzwerkes „Bio Ti Net“, das sich mit biokompatiblen Titanlegierungen für orthopädische Anwendungen beschäftigt und vom IFW Dresden koordiniert wird.
www.nature.com/articles/s41467–017–01578–1