Statt zu röntgen oder aufwendige Studien zu betreiben, können Orthesen auch mit einem optisch-mechanisch arbeitenden Messsystem optimal angepasst werden. Das Funktionsmuster lieferte in einer klinischen Studie vielversprechende Ergebnisse.
Bestimmte Erkrankungen, Verletzungen oder angeborene Behinderungen an Gelenken können es notwendig machen, zum Stützen und Führen des geschädigten Gelenks eine Orthese anzupassen. Um diese in die optimale Position zu bringen, ist es notwendig, den Kompromissdrehpunkt des natürlichen Gelenks, wie von Nietert beschrieben, zu erfassen. Dieser liegt beispielsweise am Knie 2 cm oberhalb des Gelenkspaltes und somit etwa in der Mitte der Kniescheibe. Um eine gute Funktionalität der Orthese zu gewährleisten und das Kniegelenk nicht zu schädigen, muss der Arzt dafür sorgen, dass das Gelenk der Orthese mit dem Kompromissdrehzentrum des Knies in Deckung liegt.
Bisher musste dieser Punkt meist über ein manuelles, indirektes und relativ ungenaues Verfahren bestimmt werden – oder konnte nur im Rahmen von sehr aufwändigen Studien und lediglich mit Hilfe von teuren und strahlungsreichen Röntgenverfahren ermittelt werden. Bei der Stuttgarter Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe TEG wurde nun ein alternatives, einfaches Messverfahren gefunden.
Die TEG-Mitarbeiter entwickelten in Kooperation mit der Bort Medical GmbH in Weinstadt-Benzach ein System, das opto-mechanisch arbeitet und mit dem sich der Kompromissdrehpunkt natürlicher Gelenke hochpräzise und nichtinvasiv auf der Haut projizieren lässt. Ziel des gemeinsamen Projekts war der Bau eines klinischen Funktionsmusters, dessen Tauglichkeit in Labortests und klinischen Tests an Probanden nachgewiesen werden konnte.
Dafür musste ein in Eigenleistung erstelltes Funktionsmuster neu entworfen, konstruiert und gebaut werden, um auch höhere Anforderungen zu erfüllen. Für das passende Verfahren wurde der Funktionsnachweis in einem ersten Aufbau erbracht. Später wurden zwei Labormessstände aufgebaut, in denen verstellbare Gelenke eingebaut waren, die den Bewegungsablauf des Knies simulierten. Dabei zeigte sich bereits die hohe Genauigkeit des Messgeräts. Detektiert wurde die Bahnkurve des sich bewegenden Schenkels, die Polkurve der sich verschiebenden Rotationsachse sowie der Kompromissdrehpunkt des zu untersuchenden Gelenks. Schließlich wurde das Gerät an Probanden in der Orthopädischen Klinik der Uni-Klinik in Heidelberg im Rahmen einer klinischen Studie getestet und so der praktische Nutzen des Geräts in allen Teilen nachgewiesen.
Es ist zu erwarten, dass das bis zum Funktionsmuster entwickelte Messsystem zu neuen Erkenntnissen in der orthopädischen Forschung führt. Darüber hinaus wird geprüft, ob das Gelenkmessgerät in anderen Bereichen der Orthopädie, beispielsweise bei der Prothesenversorgung, ebenfalls eingesetzt werden kann. Eine Entscheidung darüber, ob und wie das Geräte weiterentwickelt wird, steht derzeit noch aus.
Weitere Informationen www.teg.fraunhofer.de
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