Er kann Raumluft und Flüssiges nach Bedarf kühlen oder erwärmen. Und er sieht aus, als hätte ihn James Bonds genialer Tüftler „Q“ persönlich entworfen: Der Prototyp, den das Forscherteam der Professoren Stefan Seelecke und Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes entwickelt hat, transportiert Wärme mit „Muskeln“ aus Nickel-Titan.
Im Grunde beruht das Verfahren schlicht darauf, dass Drähte aus einer besonderen Formgedächtnislegierung, in diesem Falle Nickel-Titan, kurz „Niti“ genannt, gezogen und wieder entlastet werden – ein künstlicher Muskel sozusagen. „Die Phasenumwandlungen, die dabei in der Kristallstruktur des Materials stattfinden, setzen so genannte latente Wärmen frei, beziehungsweise absorbieren diese“, erläutert Stefan Seelecke, Professor für Intelligente Materialsysteme. Bei den Drähten aus Nickel-Titan ist dieser Effekt besonders stark: „Wenn zuvor gespannte Drähte bei Raumtemperatur wieder entlastet werden, kühlen sie sich dadurch um bis zu etwa 20 Grad ab“, sagt Felix Welsch, der gemeinsam mit Susanne-Marie Kirsch im Rahmen von Doktorarbeiten am Prototyp arbeitet. Das macht es möglich, Wärme abzutransportieren. „Beim Belasten findet eine ebenso große Erwärmung statt, so dass der Prozess auch als Wärmepumpe eingesetzt werden kann“, erklärt Welsch.
Wahlweise Wärmepumpe oder Kühlmaschine
Der entwickelte Prototyp ist die erste kontinuierlich laufende Maschine, die Luft mit dem neuen Verfahren kühlt. Ein speziell konstruierter, zum Patent angemeldeter Nockenantrieb sorgt dafür, dass während der Rotation fortwährend Bündel aus 200 µm dicken Niti-Drähten gezogen und entlastet werden. In zwei separaten Kammern wird Luft durch die Bündel geblasen, die in der einen entsprechend erwärmt und in der anderen gekühlt wird. So lässt sich die Maschine wahlweise als Wärmepumpe oder Kühlmaschine betreiben.
Die Ingenieure haben über mehrere Jahre viele Stellschrauben entdeckt und setzen diese über eine Software ein: „Damit können wir unsere Heiz- und Kühltechnik für verschiedene Anforderungen am Computer exakt anpassen und Systeme planen, die dann gebaut werden können“, erklärt Kirsch.
Dreimal besser als üblicher Kühlschrank
Diese Grundlagenforschung könnte für die Industrie interessant werden. Denn die neue Heiz- und Kühltechnik ist effizient. Je nach Legierung kann sie bis zu dreißig Mal mehr Wärme- oder Kühlleistung abgeben als sie mechanische Leistung beim Ziehen und Loslassen benötigt. Damit ist das System bislang bereits zweimal besser als eine Wärmepumpe und dreimal besser als ein bislang üblicher Kühlschrank. „Und dazu ist sie umwelt- und klimafreundlich, da die Kühlung oder Erwärmung unmittelbar erfolgt. So kann beispielsweise Luft in einer Klimaanlage ohne zwischengeschaltete Wärmetauscher gekühlt werden, und wir benötigen dazu keine hochdruckfesten und dichten Leitungssysteme“, erläutert Prof. Seelecke.
Auf der Hannover Messe vom 1. bis 5. April werden die Wissenschaftler ihre Technologie am saarländischen Forschungsstand in Halle 2, an Stand B 46 präsentieren.