Extrem kurze Laserpulse im Femtosekundenbereich geben Medizin und Technik neue Möglichkeiten an die Hand: Femtolaser können Molekülstrukturen gezielt verändern.
Femtosekundenlaser erzeugen extrem kurze Laserpulse, die nur Bruchteile von Pikosekunden dauern. Ein wichtiger Einsatzbereich, in dem sich Femtolaser bereits etabliert haben, ist die Behandlung der Alterssichtigkeit mit einer Laser-insitu-Keratomileusis (Lasik). Gezielte Einschnitte machen hier die Augenlinse wieder flexibel, und die Scharfstellung durch die Ziliarmuskeln funktioniert wieder. Dafür müssen Schnitte in der Augenlinse auf wenige 10 µm genau gesetzt werden. Der Femtosekundenlaser ersetzt hier das Mikrokeratom, um die dünne Lamelle der Hornhaut, den Flap, zu präparieren. Bei mechanischen Mikrokeratomen schwankt die Lamellendicke in der Regel um 50 µm – der Laserschnitt mit dem Femtosekunden-Laser hingegen erzeugt eine völlig homogene Lamelle mit einer Toleranz von lediglich 5 µm.
Diese Präzision reduziert das Risiko späterer Sehbeeinträchtigungen erheblich. Für die eigentliche Hornhautkorrektur werden wie bisher Excimer-Laser eingesetzt. Da Linsendicke und Vorderkammertiefe je nach Patientenauge unterschiedliche Ausmaße haben, ist eine Echtzeit-Positionserfassung erforderlich. „Wir können dank des Femtosekundenlasers die Lasik weiter optimieren, die bereits geringe Komplikationsrate weiter senken und die Wiederherstellung der Brechkraft des Auges verfeinern“, erklärt Professor Dr. Thomas Kohnen, stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt an der Klinik für Augenheilkunde des Frankfurter Universitätsklinikums.
Hochpräzise Femtolaser können darüber hinaus Bausteine in lebenden Zellen ausschalten oder einzelne Zellen in einem Gewebeverband „abschießen“, ohne benachbarte Zellen zu beeinträchtigen. Mit femtonischen Produktionstechnologien können auch Materialien, die wie Gläser der Laserbearbeitung sonst nicht zugänglich sind, nanometerfein durch „kalte Ablation“ strukturiert werden. Dabei verändert das extrem starke elektrische Feld der hochintensiven Photonenpakete direkt die Molekülstruktur, ohne dass es zu thermischen Effekten kommt.
Speziell die Zahnmedizin wird zukünftig von preisgünstig, schnell und ultragenau durch Femtolaser geformten hochfesten Dentalkeramiken profitieren: Zahnprothetik zum Mitnehmen in einer komplett automatisierten Prozesskette von der Gebissvermessung bis zur Einpassung ist damit vorstellbar.
Ein interessanter Ansatz ist die Laser-Scan-Endoskopie. Hier werden Bilder durch sequenzielle Remissionsmessung eines abgelenkten RGB-Laserstrahls erzeugt, der über Lichtleiter in den Körper eingeführt wird. Daran arbeiten Forscher im Medea-Projekt der Berliner LMTB GmbH.
Zusammen mit einem Bearbeitungslaser erhält man das „sehende Skalpell“ für die echtzeitüberwachte minimalinvasive Präzisionschirurgie im Körperinneren. Das Femtonik-Verbundprojekt „Sehendes Skalpell“ koordiniert Prof. Dr. Holger Lubatschowski.
Roland Dreyer Fachjournalist in Stuttgart
Femtosekundenlaser
Eine Femtosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zu 32 Mio. Jahren. Die Ultrakurzzeitpuls- (UKP) oder Femtosekunden-Laser erzeugen Laserimpulse mit einer Länge zwischen 10 bis 100 Femtosekunden, also 10 –17 bis 10 –16 s, durch Modenverkopplung.
Femtolaser sind derzeit noch technisch aufwendig und teuer in Anschaffung und Betrieb; sie basieren auf diodengepumpten Festkörperlasern und verwenden breitbandig verstärkende Laserkristalle wie Titan-Saphir, Cr-dotiertes Lithium-Strontium-Aluminium-Fluorid, Ytterbium-Yttrium-Aluminium-Granat, Ytterbium-Kalium-Yttrium-Wolframat oder Ytterbium-Kalium-Gadolinium-Wolframat. Mit Hilfe optisch nichtlinearer Linsen im Resonator erzeugen sie anstelle einer Frequenz sehr viele eng benachbarte Frequenzen (Moden). Je mehr Moden überlagert (addiert) werden, desto kürzer wird gemäß dem Fourier-Theorem der sich bildende Puls.
Femtoimpulse können mit Hilfe nichtlinearer optischer Effekte zur dreidimensionalen, athermischen Strukturierung sowie zur dreidimensionalen, schädigungsarmen Mikroskopie eingesetzt werden. Die maximale räumliche Auflösung liegt dabei unter der Beugungsbegrenzung der verwendeten Wellenlänge. Gepulste Lasersysteme sind bei vielen Indikationen die einzige Möglichkeit, eine möglichst schonende Therapie zu realisieren.
Im Labor gelingen bereits Pulse, die nur Attosekunden (10–18 s) dauern. Die Pulsfolgefrequenz kann 100 MHz oder mehr betragen. Mit nichtlinearen Glasfasern lässt sich ein spektrales Superkontinuum über den Bereich einer ganzen Oktave (1000 bis 2000 nm) erzeugen.
Weitere Informationen: Simulation der Femto-Physik www.physik.uni-wuerzburg.de/femto-welt
Aktuelle femtonische Verbundprojekte www.fgsw.de/femtonik
Generelle Informationen www.bmbf.de/de/3599.php www.optischetechnologien.de
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