Für Menschen mit schweren Rückenmarksverletzungen gibt es Hoffnung auf Heilung: Die Stimulation des Rückenmarks mit Impulsen durch implantierbare Mikroelektrodensonden soll Betroffenen helfen, wieder laufen zu lernen.
Ein Konsortium aus europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen will Menschen mit Querschnittslähmung künftig wieder auf die Beine helfen. Im EU-Projekt Neuwalk, das mit etwa 9 Mio. Euro gefördert wird, untersuchen Forscher eine neue Methode, die Bewegungsfunktionen nach schweren Verletzungen des Rückenmarks wiederherstellen soll.
Das Verfahren beruht auf der elektrischen Stimulation der Nervenbahnen im Rückenmark. „Die Anregung muss unterhalb der verletzten Stelle erfolgen, da die Nervenzellen dort keine hinreichenden Informationen mehr aus dem Gehirn erhalten“, erläutert Dr. Peter Detemple, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Institutsteil Mikrotechnik Mainz IMM und Projektkoordinator von Neuwalk. Hierfür entwickeln Detemple und sein Team flexible, hauchdünne Mikroelektrodensonden, die im Spinalkanal auf dem Rückenmark implantiert werden. Diese mikroprozessorgesteuerten, vielkanaligen Elektroden-Arrays reizen die Nervenbahnen mit elektronischen Impulsen, die von einem ebenfalls implantierten Neurostimulator ausgelöst werden. „Die unterschiedlichen Elektroden des Arrays liegen in der Umgebung der Nervenwurzeln, die für die Bewegungsfunktionen zuständig sind. Sie müssen in bestimmten zeitlichen Abfolgen mit Pulsmustern angesteuert werden, um Bewegungsabläufe zu modellieren und die Motorik zu unterstützen“, sagt Detemple.
In Tests mit Ratten, deren Rückenmark nicht vollständig durchtrennt war, ist dies dem Forscherkonsortium bereits gelungen. Der Forscher und seine Kollegen halten es für möglich, auch Menschen wieder auf die Beine zu helfen. „Wir hoffen, die Ergebnisse unserer Tierexperimente auf Menschen übertragen zu können. Natürlich werden Rückenmarksgeschädigte nicht ohne Einschränkungen Sport treiben oder lange Wege zurücklegen können. Es geht zunächst darum, dass sie eine gewisse Selbstständigkeit erlangen und sich beispielsweise in ihrer Wohnung bewegen und versorgen oder kurze Strecken ohne Hilfsmittel zurücklegen können“, sagt Detemple.
Noch diesen Sommer wollen die Neuwalk-Forscher ihr System an zwei Patienten testen, die nicht komplett querschnittgelähmt sind. „Doch selbst wenn die Versuche mit den beiden Patienten erfolgreich verlaufen sollten, wird es noch Jahre dauern, bis das System marktreif ist. Erst muss die Wirksamkeit der Methodik in klinischen Studien an einer größeren Anzahl von Patienten bestätigt werden“, sagt Detemple.
Weitere Informationen:
Auf der Messe Sensor + Test 2014 zeigen die Mainzer Forscher Prototypen ihrer Neuroprothesen (vom 3. bis 5. Juni in Nürnberg, Halle 12, Stand 12–537).
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