Etwa 15 Mio. Deutsche sind laut Schätzungen des Deutschen Schwerhörigenbunds e.V. schwerhörig. Betroffene können Gespräche, vor allem in lauten Umgebungen, nur schlecht verstehen. Besonders in Unterhaltungen mit mehreren Personen fällt es ihnen schwer, einzelne Stimmen herauszuhören. Sie können die störende Signale nicht ausblenden – Experten bezeichnen dieses als Cocktailparty-Effekt.
Inhaltsverzeichnis
1. Neues Konzept für Hörgeräte
2. Hearable für Schwerhörige
3. Mobile Neurotechnologie
Neues Konzept für Hörgeräte
Derzeitig verfügbare Hörgeräte sind nicht in der Lage, eine Schnittstelle zwischen Ohr und Gehirn herzustellen und Schwerhörige beim selektiven Hören zu unterstützen. Denn über die Verbindung Gehirn-Ohr funktioniert erst die Konzentration auf eine Quelle.
Forscher des Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologien IDMT in Oldenburg, der Universität Oldenburg sowie weiterer Partner aus der Industrie und Forschung entwickeln nun eine Lösung: eine Kombination aus Elektroenzephalografie (EEG), Audiosignalverarbeitung und Elektrostimulation der Hörareale soll die Gehirn-Ohr-Verbindung übernehmen.
Der Trick: Eine Gehirn-Computer-Schnittstelle misst mittels EEG die Aktivität des Gehirns. Anhand der Daten lässt sich feststellen, in welche Richtung, beziehungsweise auf welche Sprachquelle der Hörgeschädigte seine Aufmerksamkeit richtet. Diese Information wird an das Hörgerät weitergeleitet, das dann ein Richtmikrofon – den so genannten Beamformer – entsprechend ausrichtet. Der Beamformer verstärkt das vom Hörer bevorzugte Audiosignal und blendet die unerwünschten Geräuschquellen, zum Beispiel andere Sprecher, aus.
Eine dritte Komponente, die transkraniale Elektrostimulation (tES), soll dann mit diesem Sprachsignal die Hörareale elektrisch stimulieren. Mit dieser Methode der Neurowissenschaft beeinflussen die Forschenden die Aktivität des Hörzentrums beziehungsweise des auditiven Kortex‘ mit sehr kleinen Strömen gezielt, um so zusätzlich die Sprachverständlichkeit zu optimieren.
Hearable für Schwerhörige
Im Projekt wurde bereits in Designstudien visualisiert, wie die neue Hörhilfe aussehen könnte. Künftig könnten die im Vorhaben entwickelten Komponenten inklusive Sensorik in einen tragbaren Bügel integriert werden.
Denkbar ist es auch, verfügbare Hörgeräte durch die neuen Module zu ergänzen und mit einem EEG-Sensor auszustatten. „Unser aktueller Prototyp liegt noch nicht in Form einer tragbaren Hörhilfe vor, er muss noch deutlich miniaturisiert werden“, erklärt Dr. Axel Winneke, Wissenschaftler am Fraunhofe IDMT. In ersten Probandentests mit normal Hörenden hat das Prinzip der EEG-basierten Hörunterstützung bereits gut funktioniert. Studien mit Schwerhörigen sind in Planung.
Mobile Neurotechnologie
Die am Ohr getragene EEG-Messung eignet sich auch für andere Anwendungsszenarien, beispielsweise um die Höranstrengung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz zu erfassen oder um neurologische Erkrankungen wie Epilepsie zu überwachen.
Kontakt:
Fraunhofer IDMT
Ehrenbergstr. 31
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Tel.: +49 (0)3677-467-0
Website: www.idmt.fraunhofer.de