Leichte und stabile Teile lassen sich aus Polyamid generativ fertigen. Ihre inneren Strukturen werden vorher am Computer simuliert und optimiert.
Leicht und trotzdem stabil sind Grashalm, Bambusstange, Knochen oder Zahn: Sie alle haben raffinierte innere Strukturen und bestehen aus einem Materialmix. An diesen Vorbildern orientieren sich Fraunhofer-Forscher, die Kunststoffprodukte leicht, materialsparend und solide gestalten wollen. Die Wissenschaftler aus zwei Instituten arbeiten im Projekt „Bionic Manufacturing“ zusammen.
Am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg geht es vor allem um ideale Innenstrukturen. „Wenn man sich an der Natur orientiert, ist es möglich, sehr ästhetische Gebrauchsgegenstände herzustellen“, sagt Dr. Raimund Jaeger. Und wenn doch mal etwas bricht, entstehen wegen der besonderen Strukturen keine scharfen Splitter. Der Bruch ist eher „gutmütig“, wie es der Forscher fomuliert. Das Teil knickt weich zusammen.
Weil sich Konstrukteure und Produktentwickler aber nicht so viel Zeit lassen können wie die Evolution, beschleunigen sie das Verfahren der Verbesserung per Computer. Sie bauen im PC das komplette Werkstück entlang seiner Konturen aus nahezu identischen, quaderförmigen Elementarzellen auf. Stellt sich in der numerischen Simulation heraus, dass die Gitterstruktur nicht den Anforderungen entspricht, werden die betroffenen Zellwände oder Trabekel gezielt angepasst. „Wir gestalten sie dicker, wenn sie zu schwach sind, und schlanker, wenn sie sich besser biegen sollen“, erläutert Jaeger.
Wände können auch genau entlang der Kraftlinien verlaufen, die bei einer Beanspruchung entstehen. Auf diese Weise lassen sich viele Formen auslegen. Bei der Simulation allein bleibt es aber nicht. Die Forscher ergänzen sie durch reale Experimente.
„Bei allen Werkstücken, die sich im Computer aus zweidimensionalen Grundstrukturen heraus in die gewünschte Form ziehen lassen, funktioniert diese Vorgehensweise bereits sehr gut“, berichtet Jaeger. Das gleich gelte für Teile, die relativ regelmäßig geformt sind.
Anwendungsmöglichkeiten sieht der Wissenschaftler überall dort, wo mechanisch hochwertige und ästhetisch ansprechende Produkte gefragt sind. Das trifft beispielsweise für medizinische Orthesen zu oder für individuell angepasste Schutzstrukturen wie Rückenprotektoren für Skifahrer.
Am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) in Oberhausen werden die so gestalteten Strukturen durch das selektive Lasersintern von Polyamidpulver gefertigt. So können komplexe innere Strukturen und zukünftig auch Bauteile mit räumlich variierenden Werkstoffeigenschaften – Experten nennen sie Gradientenwerkstoffe – hergestellt werden. Diese sollen dann ähnlich optimale Strukturen haben, wie man sie in der Natur beobachten kann. op
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