Schweizer Wissenschaftler erforschen die außergewöhnlichen Absonderungen des Schleimaals. Sie wollen herausfinden, wie dessen natürliches Hydrogel für den Menschen nutzbar gemacht werden könnte.
Atlantische Schleimaale (Myxine glutinosa) existieren bereits seit 300 Mio. Jahren. Sie haben die Dinosaurier überlebt, den großen Meteoriteneinschlag, Warmphasen, Eiszeiten – und bevölkern die Tiefen der Meere. Gegen Feinde haben sie eine besondere Technik: Sobald sie von ihnen gepackt werden, stoßen sie ein Sekret aus, das innerhalb von Sekundenbruchteilen geliert, selbst in kaltem Wasser. Dieses Sekret vermag Unmengen von Wasser zu binden, wodurch sich ein durchsichtiger, zäher und klebriger Schleim bildet. Fische, die es auf den Schleimaal abgesehen haben, ersticken fast an dem klebrigen Zeug, wodurch der Schleimaal entkommen kann.
Dieser Schleim ist nun zum Gegenstand eines ETH-Forschungsprojekts geworden, an dem Doktorand Lukas Böni, Masterstudent Lukas Böcker und Postdoc Patrick Rühs unter der Leitung von Simon Kuster aus der Gruppe von Prof. Peter Fischer in den kommenden drei Jahren arbeiten werden.
Bekannt ist, dass das natürliche Hydrogel des Schleimaals zwei Hauptbestandteile hat: einen rund 15 bis 30 cm langen Proteinfaden und so genannte Muzine, welche die Fäden untereinander vernetzen und den Schleim erst „schleimig“ machen. Dieser Faden hat ähnliche Eigenschaften wie Spinnfäden. Er ist extrem reißfest und elastisch – allerdings nur in angefeuchtetem Zustand.
Produziert werden diese Hauptbestandteile in speziellen Drüsen. Darin eingebettet sind zwei Typen von Zellen, die entweder das fädige Protein oder Muzin produzieren. Bei Gefahr stößt der Aal diese Zellen ruckartig über Poren aus. Dabei zerreißen die Plasmamembranen, und die beiden Komponenten, also die Proteine und Muzine, kommen frei. Sie interagieren und bilden die Matrix, welche das Wasser „aufsaugt“ und bindet.
Der Schleim besteht aus nahezu 100 % Wasser und enthält nur 0,004 % „Geliermittel“. Oder anders formuliert: Das Gewichtsverhältnis von „Geliermittel“ zu Wasser beträgt das 26000fache – über 200 Mal mehr als bei herkömmlicher tierischer Gelatine. Für das Gelieren ist nur sehr wenig Energie notwendig.
Besonders fasziniert hat die ETH-Forscher die Tatsache, dass das fädige Protein in den Drüsenzellen als Knäuel von 150 µm Durchmesser vorliegt, im Schleim aber als mehrere Zentimeter langer, ausgestreckter Faden. Wie dieses Abwickeln genau vor sich geht, ist erst in Ansätzen geklärt. „Die Wicklung innerhalb der Zelle ist hochspezialisiert und sehr ungewöhnlich“, betont Böni.
Ziel des Projektes ist, das vom Schleimaal erzeugte Gel so zu verändern, dass es das Wasser dauerhaft zurückhalten kann und so zu einem „Super-Hydrogel“ werden könnte. Eine exakte Nachbildung des Sekrets ist allerdings eher unrealistisch: „Wir können den Schleim dieses Fisches nicht im Labor nachbauen, dafür ist das natürliche System zu komplex“, betont Kuster. Ein Gel zu entwickeln, das auf dem Prinzip des natürlichen Schleims beruht, liege aber durchaus im Bereich des Möglichen.
Hydrogele sind bereits heute in zahlreichen Anwendungen enthalten, von Papierwindeln über Heftpflaster bis hin zu Bewässerungssystemen für die Landwirtschaft.
Unsere Webinar-Empfehlung
Erfahren Sie, was sich in der Medizintechnik-Branche derzeit im Bereich 3D-Druck, Digitalisierung & Automatisierung sowie beim Thema Nachhaltigkeit tut.
Teilen: