Forscher stellen ein superhartes Fenster aus einer weit verbreiteten Industriekeramik her. Es ist das erste durchsichtige Werkstück aus Siliziumnitrid und kann unter extremen Bedingungen verwendet werden, wie sie etwa in Motoren herrschen.
Siliziumnitrid ist eine sehr beliebte Keramik in der Industrie. Es wird vor allem für Kugellager, Schneidwerkzeuge und Motorteile in der Auto- und Flugzeugindustrie verwendet. Der keramische Werkstoff ist extrem stabil, da die Silizium-Stickstoff-Bindung sehr stark ist. Unter Normalbedingungen besitzt Siliziumnitrid eine hexagonale Kristallstruktur, und gesinterte Werkstücke aus diesem Material sind nicht durchsichtig. Sintern bezeichnet das Heißpressen eines pulverförmigen Ausgangsmaterials zu makroskopischen Werkstücken und ist eine weit verbreitete Technik, um eine große Produktpalette von reibungsarmen keramischen Lagern bis zu Zahnersatz herzustellen.
Aus Hexagon wird Kubus
Bei einem Druck von mehr als 13 GPa, das entspricht dem 130000-fachen Atmosphärendruck, verändert sich die Kristallstruktur von Siliziumnitrid zu einer kubischen Symmetrie. „Die kubische Variante von Siliziumnitrid ist erstmals 1999 von einer Forschergruppe an der TU Darmstadt erzeugt worden, aber das Wissen über dieses Material ist noch sehr begrenzt“, sagt erläutert Desy-Forschungsleiter Dr. Norimasa Nishiyama, der inzwischen außerordentlicher Professor am Tokyo Institute of Technology ist. Sein Team nutzte eine Hochdruckpresse bei Desy, um hexagonales Siliziumnitrid hohem Druck und hohen Temperaturen auszusetzen. Bei 15,6 GPa, also rund dem 156000-fachen Atmosphärendruck, und 1800 °C entstand ein durchsichtiges Stück kubisches Siliziumnitrid mit einem Durchmesser von ungefähr 2 mm. „Es handelt sich um die erste transparente Probe dieses Materials“, betont Nishiyama.
Die Analyse der Kristallstruktur an Desys Röntgenlichtquelle Petra III zeigte, dass sich das anfangs hexagonale Siliziumnitrid vollständig in die kubische Form umgewandelt hatte. „Die Transformation gleicht der von Kohlenstoff, der ebenfalls eine hexagonale Struktur bei Normalbedingungen besitzt und sich unter Hochdruck in eine kubische Variante namens Diamant umwandelt“, erläutert Nishiyama.
Fenster bis 5 mm möglich
Die Wissenschaftler sehen verschiedene industrielle Anwendungen für ihre superharten Fenster. „Kubisches Siliziumnitrid ist die dritthärteste Keramik, die wir kennen, nach Diamant und kubischem Bornitrid“, erläutert Nishiyama. „Borverbindungen sind jedoch nicht transparent, und Diamant ist an der Luft nur bis etwa 750 Grad Celsius stabil. Kubisches Siliziumnitrid dagegen ist transparent und bis 1400 Grad Celsius stabil.“
Wegen des zur Herstellung nötigen hohen Drucks ist die Fenstergröße allerdings aus praktischen Gründen begrenzt. „Das Rohmaterial ist billig, aber für die Produktion transparenter Werkstücke benötigen wir etwa doppelt so viel Druck wie für künstlichen Diamant“, sagt Nishiyama. „Es ist relativ einfach, Fenster mit einem Durchmesser von einem bis fünf Millimeter herzustellen. Aber alles über einem Zentimeter wird schwer zu erreichen sein.“
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Teilen: