Wie stark zwei Materialoberflächen aneinander haften, kann von der Materialzusammensetzung tief unter den Oberflächen abhängen. Das haben Physiker herausgefunden und entwickelten daraus den neuen Begriff „subsurface energy“.
Der Gecko ist das größte Tier, das an der Zimmerdecke laufen kann. Dazu hat das Reptil unter seinen Zehen Millionen feiner Härchen, die in intensivem Kontakt mit der Oberfläche stehen, die der Gecko berührt. Dabei werden sie von der Oberfläche durch molekulare Kräfte angezogen. Das Forscherteam um Karin Jacobs und Peter Loskill von der Universität des Saarlandes konnte nun gemeinsam mit Forschern um Kellar Autumn vom Lewis & Clark College in Portland (Oregon, USA) nachweisen, dass sogar ein so großes Tier wie der Gecko spüren kann, wie das Material tief unter der Oberfläche zusammengesetzt ist.
Für ihre Experimente zur Tiefenempfindlichkeit entfernten die Forscher behutsam die nachwachsenden Härchen von den Zehen eines Tokay-Geckos. Sie bündelten die Härchen und klebten sie an die Spitze eines hochempfindlichen Kraftmessers. Anschließend zogen sie diesen über die Oberfläche von Siliziumscheiben, die unterschiedlich dick mit Siliziumdioxid beschichtet waren. Die dabei auftretenden Reibungs- und Anziehungskräfte konnten die Forscher mit hoher Genauigkeit messen. Dabei zeigte es sich, dass die Härchenbündel umso stärker von der Siliziumoberfläche angezogen werden, je dünner die auflagernde Siliziumdioxid-Schicht ist.
Auf diesen Beobachtungen aufbauend haben die Forscher um Karin Jacobs und Peter Loskill eine neue Beschreibung der Adhäsionskräfte von Oberflächen entwickelt, die erstmals auch den Materialaufbau unter der Oberfläche berücksichtigt. „Bisher hat man die Adhäsionskräfte von der Oberflächenenergie hergeleitet. Sie ist eine Eigenschaft der äußersten, oberflächennahen Atomlagen bis zu einer Tiefe von etwa einem Nanometer“, erklärt Physik-Professorin Karin Jacobs. „Unsere neue Beschreibung bezieht aber zusätzlich die molekulare van der Waals-Kraft ein, die aus tieferen Schichten resultiert.“
Die Experimente mit den Härchen der Gecko-Zehen haben gezeigt, dass sich durch die van der Waals-Kraft der atomare Aufbau im Innern eines Materials auch an der Materialoberfläche bemerkbar macht, und zwar durch makroskopisch nachweisbare Unterschiede der Adhäsionskräfte. Die Wissenschaftler aus Saarbrücken und Portland führen daher den neuen Begriff „subsurface energy“ ein, mit dem sie beschreiben, wie das Material unterhalb der Oberfläche zur Adhäsion beiträgt. Sie glauben, dass diese neue Herangehensweise sowohl für die Naturwissenschaften als auch für die Ingenieurwissenschaften von Bedeutung sein wird. Ihre Arbeit wurde im „Journal of the Royal Society Interface“ veröffentlicht.
Weitere Informationen: www.physik.uni-saarland.de dx.doi.org/10.1098/rsif.2012.0587 Was Bakterien von den Schichten unter der Oberfläche wahrnehmen, lesen Sie hier.
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