Bienen leben in hochorganisierten Verbänden als Schwarm im Bienenstock. Ein bisher wenig bekannter Teil dieses Systems ist jedoch das Verhalten sehr junger Bienen am Tag nach dem Schlüpfen. Eine Gruppe um den Zoologen Thomas Schmickl von der Karl-Franzens-Universität Graz in Österreich hat sich dieses Verhalten genauer angesehen und entdeckt, dass es komplexer ist, als angenommen. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt erstellten die Forscher ein Verhaltensmodell der Jungbienen und übertrugen dieses auf Roboter, wo es sich als unerwartet effektiv erwies.
„Frisch geschlüpfte Baby-Bienen putzen die Zellen, aus denen sie geschlüpft sind, damit die Königin dann neue Eier hineinlegen kann“, erklärt Thomas Schmickl im Gespräch mit dem Magazin des Wissenschaftsfonds FWF, Scilog. Dieses Verhalten der Baby-Bienen ist essenziell für das Aufrechterhalten des Systems. Eine zentrale Bedeutung hat dabei die Temperatur: Eine Bienenlarve ist das am schnellsten heranwachsende Lebewesen der Welt. Innerhalb von fünf Tagen vertausendfacht sie ihre Körpermasse. „Das ist nur möglich, weil die Bienen das Brutnest auf 35 bis 37 Grad aufheizen und der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft“, berichtet Schmickl. In welche Zellen die neuen Eier gelegt werden, hängt von deren Temperatur ab. Höhere Temperatur bedeutet bessere Nutzung der vorhandenen Wärme.
Und hier kommt das Verhalten der Jungbienen zum Tragen: „Die frisch geschlüpften Bienen putzen bevorzugt dort, wo die Temperatur höher ist.“ In einem Laborversuch, bei dem die Bienen über ein Feld mit unterschiedlichen Temperaturen liefen, zeigte sich, dass die jungen Bienen ein relativ kompliziertes Verhalten zeigen. „Wir konnten grob vier verschiedene Verhaltenstypen identifizieren: Die Ziel-Finder, die direkt zur wärmsten Stelle gehen, die Random Walker, die einfach kreuz und quer gehen und sich überhaupt nicht um die Temperatur kümmern, die Wall-Follower, die am Rand des Brutnestes entlanggehen, und diejenigen, die gar nichts tun“, erklärt Schmickl.
Der Schwarm agiert
als Gehirn
In der Summe zeigen die Jungbienen intelligentes Verhalten, ohne dass die einzelne Biene über die Gesamtsituation Bescheid wissen müsste. Sie finden verlässlich die wärmste Stelle und ignorieren kleinere warme Bereiche. „Einzelne Bienen müssen nicht überall gewesen sein. Der Gesamtschwarm agiert wie ein großes Gehirn und findet die beste Lösung heraus“, so Schmickl.
Ebenso tun dies nun die einfachen, mit Temperaturfühlern ausgestatteten Roboter. In dem Modell mit einer einzigen Gleichung sind alle vier Typen und alle Mischformen enthalten. Schmickl: „Damit konnten wir einen bio-inspirierten Schwarm-Algorithmus extrahieren, der auch in seiner physikalischen Verkörperung funktioniert.“