Muschelbewuchs auf Schiffsrümpfen verursacht nicht nur erhebliche Materialschäden, sondern auch erhöhte Treibstoffkosten und damit beträchtliche wirtschaftliche Einbußen. Oft schleichen Tankerkolosse nur noch im Schneckentempo dahin, wenn sie dicke Schichten von Muscheln und Seepocken auf ihrer Rumpfoberfläche mit sich schleppen müssen. Muscheln, vor allem Miesmuscheln, sind die schlimmsten Verursacher dieses „Biofoulings“, das nicht nur an Schiffen, sondern auch an festinstallierten Unterwasserstrukturen, wie Rohren, Booten, Hafenbecken oder Docks auftritt.
Gift hatte negative Folgen
Es gab schon viele Versuche, diese Plage zu bekämpfen und zu verhindern, unter anderem mit giftigen Anstrichen. Diese führten jedoch zu hohen Schadstoffbelastung im Wasser. Einer Gruppe um Prof. Nicolas Vogel vom Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik und Mitglied des Exzellenzclusters „Engineering of Advanced Materials“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Joanna Aizenberg von der Harvard University in den USA und Ali Miserez von der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur ist nun möglicherweise ein historischer Schritt im Kampf gegen den Muschelteppich gelungen.
Von der Wette zur Lösung
Alles begann mit einem Vortrag, den Nicolas Vogel, damals Forscher an der Harvard University, 2013 bei einer Konferenz in Italien über flüssigkeitsinfiltrierte, abweisende Oberflächenbeschichtungen hielt. Ali Miserez, Experte für biologische Materialien von der Nanyang Technological University in Singapur blieb skeptisch. Im anschließenden Gespräch wettete er mit Nicolas Vogel, dass seine Oberflächen Muschelbewuchs nicht verhindern können – zu optimiert und komplex seien die Haftmechanismen. So begann eine Kooperation, deren Forschungsergebnisse zeigen, dass Muscheln auf solchen Oberflächen tatsächlich nur sehr schlecht anhaften. Ali Miserez hatte die Wette verloren.
Vorbild Kannenpflanze
Bisherige Beschichtungen auf der Basis von Silikon oder Fluoropolymeren bewirken lediglich, dass sich der Bewuchs leichter entfernen lässt. Die von Prof. Aizenberg und Prof. Vogel beschriebenen flüssigkeitsinfiltrierte Oberflächen basieren auf einem anderen Prinzip. „Uns hat die fleischfressende Kannenpflanze inspiriert. Die Oberfläche der Pflanzen bindet nach einem Regenguss Regenwasser – und wird so ausgesprochen rutschig. Auf ihrer rutschigen Lippe finden Insekten keinen Halt und gleiten hilflos in das Innere der Pflanze, wo sie verdaut werden. Diesen Effekt haben wir auf synthetische Materialien übertragen“, erklärt Nicolas Vogel.
Erfolgreiche Feldexperimente
Die Forscher testeten zwei verschiedene Varianten der Beschichtung. Als besonders vielversprechend zeigte sich eine infiltrierte Version von Polydimethylsiloxan, einer polymeren Beschichtung, die als Silikon weitverbreitete Anwendung im Bad und in der Küche findet.
Die im Labor gewonnen Ergebnisse wurden bei Feldexperimenten bestätigt: Im Hafen von Scituate in der Nähe von Boston angebrachte Testoberflächen zeigten auch nach mehreren Monaten nur sehr wenig Bewuchs. Im Vergleich dazu waren alle Kontrolloberflächen bereits vollständig von Meeresorganismen besiedelt.
In Folgeexperimenten untersuchen die Wissenschaftler nun Möglichkeiten, die entwickelten Materialien großflächig auf Schiffen aufzubringen und so dem unerwünschten Muschelbewuchs ein Ende zu bereiten.
http://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aai8977