Mikrosensoren werden heute verbreitet eingesetzt, zum Beispiel, um giftige Gase zu erkennen. Auch in kleine Sender-Empfänger-Systeme, wie die weitverbreiteten RFID-Chips, werden sie eingebaut. Da solche Sensoren jedoch oft umwelt- und gesundheitsschädliche Edelmetalle enthalten, kommen sie für medizinische Anwendungen mit direktem Körperkontakt oder zum Anbringen an Lebensmitteln nicht in Frage. Entsprechend groß ist das Interesse an Mikrosensoren aus nicht-toxischen Materialien, die biologisch abbaubar sind.
Ein Team von Forschern um Giovanni Salvatore, Postdoktorand an der Professur für Elektronik der ETH Zürich, hat gemeinsam mit Wissenschaftlern weiterer ETH-Institute einen solchen Bio-Mikrosensor entwickelt. Er ist in der Lage, die Temperatur zu messen.
Für den Bio-Mikrosensor schweißten die Wissenschaftler einen superfeinen, eng gewundenen leitfähigen Draht aus Magnesium, Siliziumdioxid und Siliziumnitrit in ein kompostierbares Polymer ein. Magnesium ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Siliziumdioxid und -nitrit sind biokompatibel und wasserlöslich. Das verwendete Polymer wird aus Mais- und Kartoffelstärke produziert und entspricht den EU- und US-Richtlinien für den Einsatz im Lebensmittelbereich.
Giovanni Salvatore ist überzeugt, dass solchen Bio-Mikrosensoren eine große Zukunft bevorsteht, und er denkt auch an konkrete Anwendungen, wie das folgende Beispiel zeigt: „Fische aus Japan könnten für den Transport nach Europa mit winzigen Temperatursensoren versehen werden. Dadurch könnte kontinuierlich überwacht werden, ob sie ausreichend gekühlt sind.“
Solche Sensoren müssten an den Lebensmitteln selbst angebracht sein und dürften die Gesundheit der Konsumenten nicht gefährden. Für einen Sensor, der in einem mit Fischen oder anderen Lebensmitteln dicht gefüllten Container eingesetzt werden soll, gelten aber auch eine Reihe weiterer Anforderungen: Sie müssen sehr klein, robust und flexibel sein.
Sensor ist viel dünner als Haare und wenige Milligramm schwer
Der von den Forschern entwickelte Sensor ist lediglich 16 µm dick, also wesentlich dünner als ein Haar – für das etwa 100 µm als Durchschnittswert angegeben werden. In einer Ausführung, die wenige Millimeter Durchmesser hat, wiegt so ein Sensor nur Bruchteile von einem Milligramm.
Ob sich die Sensoren auflösen, haben die Wissenschaftler getestet: In seiner jetzigen Form war von dem Sensor, der in einer einprozentigen Salzlösung aufbewahrt wurde, nach 67 Tagen nichts mehr übrig. Funktionstüchtig bleibt er derzeit einen Tag lang, denn solange dauert es, bis das Wasser durchs Polymer diffundiert ist und den Draht des Sensors aufgelöst hat. Das würde reichen, um beispielsweise eine Fischlieferung per Flugzeug von Japan nach Europa zu überwachen.
„Die Lebensdauer können wir durch die Polymerdicke relativ einfach anpassen“, sagt Salvatore. Allerdings wäre ein dickerer Sensor weniger flexibel. Der derzeitige dünne Sensor funktioniert selbst dann noch, wenn er komplett zerknüllt oder gefaltet wird. Selbst Zugkräften bis zur Ausdehnung von 10 % der Originalgröße hält er bisher stand.
Um den Sensor mit Energie zu versorgen, schließen ihn die Wissenschaftler mit ultradünnen, biologisch abbaubaren Zinkkabeln an eine externe Mikrobatterie an. Auf demselben (nicht biologisch abbaubaren) Chip befindet sich ein Mikroprozessor sowie ein Sender, über den die Temperaturdaten mit Bluetooth an einen externen Computer gesendet werden. Dadurch kann die Temperatur des Produkts, auf dem sich der Sender befindet, über eine Distanz von 10 bis 20 m kontinuierlich überprüft werden.
Biosensoren sollen künftig gedruckt werden
Derzeit ist die Herstellung jedes Bio-Mikrosensors noch sehr aufwendig und kostspielig. Salvatore ist jedoch überzeugt, dass die Sensoren dereinst für den Massenmarkt produziert werden könnten. Insbesondere, weil die Druckverfahren für Elektronik immer besser werden. „Sind die Biosensoren erst einmal genügend günstig, könnte man sie praktisch überall hinkleben“, sagt Salvatore. Lebensmittel könnten so Teil des „Internets der Dinge“ werden. Dabei muss es nicht bei Temperaturmessungen bleiben: Ähnliche Mikrosensoren könnten Druck, Gasentwicklung oder UV-Strahlung messen.
Salvatore geht davon aus, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren erste solche biologisch abbaubare Sensoren im Alltag anzutreffen sein werden, je nach Interesse der Industrie. Bis dann würden Batterie, Prozessor und Sender wahrscheinlich gleich im Mikrosensor integriert sein, sagt Salvatore.
Damit auch diese Komponenten für Umwelt und Gesundheit unbedenklich sind, ist allerdings noch viel Forschung erforderlich. Das Team arbeitet deshalb aktuell an einem biokompatiblen Energieträger für seinen Sensor.
Weitere Informationen
Ihre Ergebnisse haben die Forscher jüngst in Advanced Functional Materials veröffentlicht (Biodegradable and Highly Deformable Temperature Sensors for the Internet of Things).