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Wie Teile für den 3D-Druck zu entwickeln und mit einem der vielen zur Verfügung stehenden Verfahren zu fertigen sind, ist eines der am meisten diskutierten Technologie-Themen derzeit. Viele der Interessenten befassen sich dabei noch mit den Grundsatzfragen. Daher ist ein Thema bisher nicht im Brennpunkt der Aufmerksamkeit angekommen: die generative Fertigung im Reinraum.
„Ein Reinraum, in dem Produkte im 3D-Druck hergestellt werden, muss aber für diese Nutzung geeignet sein“, sagt Mareike Neumann, Geschäftsführerin der Dreigeist GbR in Nürnberg. Das Unternehmen hat sie 2015 zusammen mit Christopher König gegründet. Die beiden sehen sich als Cross-Industry-Engineering-Dienstleister und Entwicklungspartner. Ihr Spezialgebiet ist die additive Fertigung in allen Branchen.
Was genau die sechs Mitarbeiter für die Medizintechnik entwickeln und fertigen, soll geheim bleiben. Aber Neumann umschreibt das Tätigkeitsfeld mit „minimal-invasiven Produkten und Geräten für neuartige medikamentöse oder mechanische oder operative Behandlungsmethoden an Mensch und Tier“. Wenn Dreigeist dafür mit dem Auftraggeber den Prozess entwickelt, validiert und bis zur Serienreife begleitet, kommt alles auf den Tisch, was für 3D-Druck relevant ist.
3D-Druck: Gehäuse und Lüfter müssen zum Reinraum passen
Für die Arbeit im Reinraum heißt das laut Neumann: „Man muss bedenken, dass im Moment für das Bearbeiten generativ gefertigter Produkte mehrere manuelle Schritte notwendig sind, die je nach Verfahren unterschiedlich sein können.“ Für jeden einzelnen Prozessschritt müsse das Equipment reinraumtauglich sein – und das sei leider noch kaum der Fall. „Für unsere Reinraumproduktion mussten wir teilweise sehr improvisieren.“ Dazu gibt es auch eine Anekdote aus der Praxis: Benötigt wurde eine extrem filigrane und stabile Vorrichtung für einen sensiblen Bearbeitungsschritt im Versuchsaufbau. „Unsere Prototypenlösung fertigten wir aus einem Stück Titandraht aus dem Angelbedarf“, sagt Neumann. Das ging, da Titan biokompatibel und für den Einsatz im Reinraum geeignet ist.
Um aus der Phase der Basteleien herauszukommen, braucht es laut Neumann Lösungen, die von den 3D-Drucker-Herstellern kommen. „Hier sollten vor allem Gehäuse, Lüfter und so weiter für die Produktion im Reinraum vorbereitet sein.“
Reinraumtaugliche Gehäuse für alle Geräte und Stationen
Die Dreigeist-Mitarbeiter gehen aber auch einen anderen Weg. Um kundenspezifische Anforderungen umzusetzen, werden die Maschine wie auch die erforderlichen Nachbearbeitungsstationen für das Waschen, Nachbelichten und Trocknen in ein reinraumtaugliches Gehäuse verbaut.
Die Vollautomatisierung wäre nach Ansicht der Geschäftsführerin eine weitere Verbesserungsmöglichkeit – der Mensch sei nach wie vor die größte Gefahrenquelle im Reinraum. Lösungen „von der Stange“, die einigermaßen erschwinglich sind, gebe es kaum. Die Technik und Software, um diese Ideen umzusetzen, seien zwar vorhanden, allerdings nicht in Varianten, die auf die einzelnen Verfahren im 3D-Druck abgestimmt sind. „Im Grunde macht jeder Hersteller etwas anderes, hat eine spezielle Lösung oder sogar ein Patent auf einen gewissen Prozess – das macht die Sache nicht leichter.“
Reinraumzelt plus passende Prozesse sind eine Lösung
Da Dreigeist als Dienstleister auch Teile im 3D-Druck herstellt, mussten sich die Nürnberger für ihren Reinraum etwas einfallen lassen. Die Wahl fiel auf ein Raum-in-Raum-Konzept mit Reinraumzelt. So erfülle auch der Sauberraum bei entsprechendem Verhalten der Mitarbeiter die Anforderungen für die ISO-Klasse 8. „Wir müssen die Maschine für die Wartung, aber auch für die Reinigung des Reinraums in den Sauberraum schieben. Darüber hinaus macht die MDR im Grunde keine speziellen Vorgaben für den Reinraum. Allerdings müssen Prozesse und Verfahren sowie das Verhalten im Reinraum den Anforderungen entsprechen.“ Inzwischen kann Dreigeist im Reinraum kunstharzbasierte Bauteile produzieren, die als Medizinprodukt der Klassen II und III eingestuft werden.
Kaum Teile für Medizinprodukte im 3D-Druck
Bisher sind diese Fragen in der Industrie laut Mareike Neumann noch wenig präsent. „Heute werden kaum, wenn überhaupt, 3D-gedruckte Kunststoffbauteile in Serie für die Medizintechnik produziert“, sagt sie. Das Vertrauen der Branche in den 3D-Druck musste erst wachsen und auch die Zertifizierung biokompatibler Materialien musste gewährleistet sein.
Um geschlossene Prozessketten zu erreichen, gibt es immer noch Einiges zu tun – wobei die diesbezüglichen Überlegungen über den Reinraum weit hinausgehen und auch die Qualitätssicherung und das Zusammenspiel zwischen CAD-Systemen und 3D-Druckern betreffen. „Von unseren Erfahrungen in Luft- und Raumfahrt oder der Automobilindustrie können Medtech-Unternehmen profitieren, weil wir mit unserem Blickwinkel Lösungsansätze präsentieren, an die der Kunde nie gedacht hätte.“ (op)
Was beim 3D-Druck noch optimierbar ist
Der 3D-Druck ist eine junge Technologie, bei deren Anwendung immer noch Aspekte entdeckt werden, die nicht mit allen geltenden Regeln konform gehen. Einer davon ist, dass nach dem Erstellen der Daten in einem CAD-System die Datensätze an den 3D-Drucker übergeben und dabei verändert werden, indem zum Beispiel eine Support- oder auch Stützstruktur an dem Bauteil erstellt wird, bevor die fertigen Daten an den Drucker gehen
„Wir verzichten weitestgehend auf diese automatisierte Stützstrukturerstellung“, sagt Dreigeist-Geschäftsführerin Mareike Neumann, da es – vor allem in der Medizintechnik – auf die Wiederholbarkeit des Prozesses ankomme. „Wir konstruieren die nötige Struktur bereits im CAD mit in das Bauteil. Leider ist aber der Zwischenschritt über die 3D-Drucker-Software bei der Übergabe an den Drucker immer noch zwingend erforderlich. Ziel sollte es sein, diesen Zwischenschritt nicht mehr zu brauchen.“ Hierzu müssten Hersteller von CAD-Software, 3D-Druck-Software und Drucker kooperieren und Prozesse abstimmen.
CAD-Anbieter-Siemens arbeitet bereits mit einzelnen Druckerherstellern zusammen, um diese Lücke zu schließen. Darüber hinaus gibt es laut Neumann verschiedene Arbeitsgruppen, die gemeinsame Standards vorbereiten. „Der VDI ist ganz vorn mit dabei“, sagt die Geschäftsführerin. „Allerdings gibt es so viele unterschiedliche Verfahren, Materialien und Hersteller, dass es unglaublich schwer ist, alle unter einen Hut zu bekommen.“
Im Projekt Smartmap geht es um ethische Aspekte im 3D-Druck, die bei sensiblen Anwendungsbereichen im biologischen und medizinischen Kontext eine Rolle spielen. Neben dem 3D-Druck in der Medizin wird im europäischen Projekt auch der synthetischen Biologie und der personalisierten Medizin besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dreigeist ist hier aktives Mitglied.