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Knochenimplantate, die auf bekannten und heute patentfreien Konstruktionen basieren, stellt die Schweizer Genostis AG aus Burgdorf im Kanton Bern her. Dank des als „generisch“ bezeichneten Prinzips sind die Kosten für Forschung und Entwicklung marginal. „Unsere Platten und Schrauben basieren auf über Jahrzehnte bewährten Designs“, erklärt Generis-CEO Lorenzo Zoccoletti. „In einem Inhouse-Reengineering-Prozess optimieren wir sie entsprechend den heutigen Anforderungen für eine patientenfreundliche Anwendung und effiziente Herstellung.“
Die Preise für solche Implantate seien deutlich niedriger als jene anderer namhafter Anbieter. Laut Zoccoletti werden die Systeme mit hoher Qualität zu 100 % in der Schweiz produziert. Da der größte Kostenblock in der Produktion liege, achten die Verantwortlichen dort auf sehr hohe Effizienz. „Wir haben hier in der Schweiz sehr hohe Lohnkosten“, sagt Carmelo Blandini, COO von Genostis. „Deshalb sind für uns maximal automatisierte Produktionsprozesse und der intelligente Einsatz innovativer Produktionsmittel erfolgsentscheidend.“
Automatisierte Messtechnik als Basis für MDR-Zertifizierung der Implantate
Ein Kernelement ist hier die Messtechnik. „Alle unsere Implantate müssen die strengen rechtlichen Anforderungen für Medizinprodukte erfüllen, unter anderem die geltende EU-Medizinprodukteverordnung MDR 2017/745“, erklärt Zoccoletti. Um das CE-Kennzeichen für die Vermarktung eines Implantats in der EU zu verwenden, müssen verschiedene Nachweise erbracht und von einem Zertifizierungsunternehmen geprüft werden.
Neben Validierungsmaßnahmen sind auch manche Messaufgaben unumgänglich, wie zum Beispiel die Erstmusterprüfung der einzelnen Produkte. Darüber hinaus sind fertigungsbegleitende Messungen erforderlich, die Genostis automatisiert in die Produktion integriert hat.
CT-Gerät: Gute Voraussetzungen für die Automatisierung in der Qualitätssicherung
„Für unser Konzept erschien uns die Computertomographie als am besten geeignete Messtechnologie“, erklärt Genostis-COO Blandini. Die herkömmliche taktile 3D-Koordinatenmesstechnik schied für ihn aus verschiedenen Gründen aus: Der Zeitaufwand und die Kosten für die benötigten Spannvorrichtungen und Messungen seien enorm, außerdem müssten die Prüflinge manuell platziert werden. Da biete ein industrielles CT-Gerät bessere Voraussetzungen, um die angestrebte hohe Automatisierung zu realisieren.
Die Genostis-Verantwortlichen entschieden sich für das Tomo Scope XS Plus 160 der Werth Messtechnik GmbH in Gießen. „Werth war uns als renommierter Messtechnik-Anbieter, der schon lange Koordinatenmesssysteme für die industrielle Computertomographie anbietet, ein Begriff“, so Blandini. Das gewählte Tomo Scope XS Plus 160 ermöglicht das Scannen von kleinen und mittelgroßen Werkstücken bis etwa 300 mm Durchmesser und 450 mm Länge. Ein Kernelement ist die Transmissionsröhre im Monoblock-Design, die auch bei hoher Röhrenleistung einen kleinen Brennfleck ermöglicht, sodass sich schnelle Messungen mit hoher Auflösung durchführen lassen.
Durchstrahlungslänge: Ein wichtiger Aspekt bei Teilen aus Titan
Die maximale Röhrenspannung des Geräts beträgt 160 kV. Damit lassen sich auch Werkstücke mit größeren Durchstrahlungslängen und dichtere Materialien messen. „Da wir die Geometrien von Platten und Schrauben aus Titan erfassen müssen, war das ein wichtiges Entscheidungskriterium“, erklärt Blandini. Er weist aber auch darauf hin, dass die geforderte kurze Taktzeit für die Überwachung der Fertigung eine Herausforderung war. „Wir mussten einige Zeit investieren, bis wir die entsprechende Erfahrung mit dem CT-Sensor aufgebaut hatten.“
Denn Genostis wollte zum Beispiel die Titanwerkstücke in Mehrfachspannung scannen. „Da sich die Messobjekte bei der Messung gegenseitig beeinflussen und dadurch Bildfehler, so genannte Artefakte, entstehen können, haben wir viele Versuche bezüglich der Anzahl der Teile und deren Positionierung zueinander gefahren, um gute Ergebnisse zu bekommen“, erklärt Dusan Mirkovic, Leiter Produktion & Automation. „Die CT-Spezialisten von Werth haben uns dabei mit ihrem Fachwissen tatkräftig unterstützt, sodass wir viel Know-how und letztlich für unsere Produkte passgenaue Messstrategien entwickeln konnten.“
Scanzeit pro Titanwerkstück liegt zwischen 2 und 5 Minuten
Genostis ist es so gelungen, die Scanzeiten von durchschnittlich etwa 20 min auf 2 bis 5 min pro Titanwerkstück zu verkürzen. „Diese Werte hängen von den Produkten, ihrer Größe, der benötigten Auflösung und den zu erfassenden Maßen ab“, erläutert der Produktionsleiter. Bei einer Messung seien im Durchschnitt zehn bis zwölf kritische geometrische Eigenschaften zu erfassen. Als Messergebnis stellt das Tomo Scope XS Plus 160 das vollständige dreidimensionale Werkstückvolumen zur Verfügung. Die Auflösung kann der Anwender nahezu beliebig einstellen auf bis 60 Milliarden Voxel.
„Sehr gut ist der 3D-Soll-Ist-Vergleich“, lobt Mirkovic. „Wir lesen dazu das 3D-CAD-Modell ein und vergleichen es mit der gemessenen Punktewolke im STL-Format.“ Anhand der farbcodierten Abweichungsdarstellung sei schnell festzustellen, ob das Werkstück in der Toleranz ist. „Wenn wir dann noch ein paar kritische geometrische Eigenschaften bestimmen, deren Werte ebenfalls automatisch im Messprotokoll hinterlegt werden, können wir das Medizinprodukt innerhalb von Sekunden zum Einsatz freigeben.“
Alle Messergebnisse für die Qualitätssicherung sind zuverlässig und rückführbar
Ein manuelles Messen entfalle komplett. Und: Der Hersteller verfügt über eine 100%ige Dokumentation der Messergebnisse. Mirkovic ergänzt: „Wichtig für unseren Einsatz in der Medizintechnik ist, dass die Messergebnisse zuverlässig und rückführbar sind. Werth Messtechnik garantiert dies durch eine normkonforme Kalibrierung auch mit Dakks-Zertifikat.“
Programmierung, Steuerung und Auswertung des gesamten Messprozesses finden in der Messsoftware Winwerth statt. Genostis nutzt sie nicht nur am Tomo Scope selbst, sondern auch an zwei zusätzlichen Arbeitsplätzen, die der Programmierung und Auswertung dienen. „So blockieren wir das Messgerät niemals durch andere Aufgaben“, so Mirkovic. Das Tomo Scope XS Plus lässt sich sehr gut automatisieren. Genostis beispielsweise installierte eine Messzelle mit einem Roboter und einem Regalsystem mit 135 Plätzen.
Geplant sind auch Validierung und Erstmusterprüfung
Zurzeit misst Genostis vor allem Platten und Schrauben. Nach dem weiteren Aufbau der Fertigung wird das Tomo Scope XS Plus 160 auch zunehmend zur Validierung und Erstmusterprüfung genutzt. Blandini resümiert: „Stand heute sind wir sehr zufrieden mit unserem CT-Koordinatenmesssystem.“
Über den Gerätehersteller: www.werth.de
Einsatzmöglichkeiten des Messgeräts, erklärt in einem Video: https://hier.pro/5C8VK
Über den Anwender
Genostis wurde 2018 gegründet. Ein wesentlicher Teil der Belegschaft und des Managements war zuvor bei führenden und etablierten Implantatherstellern tätig. Die Verantwortlichen des Unternehmens konzentrieren sich auf die Herstellung generischer Implantate, für die sie ein weltweites Marktpotenzial sehen. Das aktuelle Portfolio von Genostis besteht aus 263 Titanplatten und 165 Schrauben im Durchmesserbereich von 2,4 bis 5,0 mm.
https://genostis.com