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Piezoelektrische Sensoren für die Dehnungsmessung im Spritzguss

Werkzeuginnendruck
Qualitätssicherung im Spritzguss: Sensoren messen berührungslos im Werkzeug

Mit piezoelektrischen Sensoren misst Kistler anstelle des Drucks in der Kavität die Dehnung, die die eingespritzte Schmelze auf die Werkzeugwände ausübt. Das vermeidet den direkten Kontakt mit der Schmelze und generiert präzise und reproduzierbare Messwerte – ein Vorteil für die Medizintechnik.

Marko Marceta
Kistler, Winterthur/Schweiz

Durch den Einsatz moderner Werkzeuginnendrucksensoren und darauf abgestimmter Software können Spritzgießer den Werkzeuginnendruck während des gesamten Produktionsprozesses messen. Die bei der Herstellung eines idealen Produkts entstandene Messkurve nutzen sie als Qualitätsmaßstab für alle künftigen Bauteile. Zusätzlich lassen sich Produktionsprozesse auf Grundlage der Abweichung von der Zielmesskurve optimieren. Für eine so genannte direkte Messung werden Sensoren und Kabel direkt in der Werkzeugwand installiert. Die Spitze des Sensors befindet sich auf der Höhe der Wand, sodass die eingespritzte Kunststoffschmelze direkt mit dem Sensor in Kontakt kommt. Der Sensor kann dann absolute Werkzeuginnendruckwerte messen und mit der Idealkurve vergleichen.

Messgröße Werkzeuginnendruck erleichtert GMP-konforme Produktion

Diese Technologie ist in ihrer Genauigkeit bisher unschlagbar, hat jedoch Nachteile: So hinterlässt der Sensor in jedem gefertigten Kunststoffteil einen kleinen Abdruck. Dieser ist zwar minimal, insbesondere bei der Verwendung von Miniatursensoren, kann aber bei hochpräzisen Produkten wie Linsen dennoch problematisch sein. Außerdem ist der Sensor durch den direkten Kontakt mit der Kunststoffschmelze anfällig für Verschmutzung.

Neben der direkten Messung verwenden einige Unternehmen auch indirekte Sensoren zur Messung des Werkzeuginnendrucks. Im Gegensatz zu direkten Sensoren können sie nachträglich in das Werkzeug eingebaut werden, da sie hinter den Auswerferstiften positioniert sind. Das macht sie jedoch auch anfälliger für Fehler, zum Beispiel wenn die Montagebohrung nicht perfekt zum Auswerferstift passt, also zu klein oder zu groß ist. Außerdem können sie durch die von der Kunststoffschmelze abgegebenen Gase negativ beeinträchtigt werden.

Berührungslos den Werkzeuginnendruck messen

Mit diesen Methoden im Hinterkopf begann die Schweizer Kistler Group an einer Alternative zu arbeiten. Sie sollte präzise und reproduzierbare Messwerte liefern, aber Nachteile wie eine negative Beeinflussung der Sensoren vermeiden. Das Entwicklungsteam des Messtechnik-Experten stieß auf ein Verfahren, das den Kontakt der Schmelze mit den Sensoren vollständig vermeidet. Es misst die Dehnung, die das Einschießen der Schmelze auf die Metallwände des Werkzeugs ausübt. Das Bemerkenswerte daran: Diese berührungslose Messmethode misst zwar keine absoluten Werkzeuginnendruckwerte, lässt aber genaue Rückschlüsse auf diese zu. Die Messung der Dehnung ergibt eine vergleichbare Messkurve zu anderen Messverfahren. Noch wichtiger: Die Messung der Dehnung führt zu reproduzierbaren Kurven und erfüllt damit eine wesentliche Anforderung der Qualitätssicherung und der regulatorischen Vorgaben.

Der große Vorteil der berührungslosen Messung gegenüber der direkten Messtechnik liegt in der Sensorpositionierung: Da die Sensoren nicht in direktem Kontakt mit der Kunststoffschmelze kommen müssen, können sie 2 bis 4 mm hinter der Kavitätswand platziert werden. So hinterlassen sie keine Abdrücke auf dem hergestellten Produkt, was das berührungslose Messen zur ersten Wahl für Hersteller von Oberflächen der Güteklasse A oder von hochpräzisen Produkten wie Linsen macht, bei denen selbst der kleinste Abdruck die Qualität des Produkts beeinträchtigen kann.

Durch die Positionierung hinter der Wand sind die Sensoren zudem vor der Kunststoffschmelze und zusätzlichen Einflüssen wie Gasen oder sogar Schmutz von außen geschützt. Das wiederum reduziert den Wartungsaufwand auf ein Minimum. Für Servicezwecke lassen sich die Sensoren leicht ausbauen. Sie sind einfach zu installieren, da mehr Plätze im Werkzeug zur Verfügung stehen: Sie lassen sich unabhängig von der Auswurfrichtung anbringen und bedürfen keiner Positionierung in der unmittelbaren Nähe der Kavität. Sie benötigen lediglich eine Montagebohrung, in der der Sensor platziert und mit einer vordefinierten Vorspannung eingestellt wird.

Finite-Elemente-Analyse findet den perfekten Sensorplatz

Kistler unterstützt bei der Suche nach der perfekten Positionierung des Sensors mit einer Finite-Elemente-Analyse (FEA). Mithilfe der Analyse lässt sich beurteilen, mit welchem maximalen Abstand zur Werkzeugwand der Sensor platziert werden kann, um genaue Messungen nahe der direkten Messung zu liefern. Für die FEA reicht ein 3D-CAD-Modell, das verdeutlicht, wo der Sensor zu platzieren ist. Das Kistler-Team berechnet anschließend, wie empfindlich der Sensor an dieser Position tatsächlich sein wird, wobei die Belastung des Metalls als auch die Seitenkräfte berücksichtigt werden.

Miniatursensoren für die Medizintechnik

Sensoren von Kistler kommen auch zur Messung von Dehnung zum Einsatz, beispielsweise in der Zerspanung. Hier werden sie zur Messung dynamischer oder quasistatischer Kräfte an festen oder beweglichen Maschinenteilen verwendet. Bei der Entwicklung des ersten Dehnungssensors für das Spritzgießen, Typ 9247A, konnte das Unternehmen seine Erfahrungen mit diesen Anwendungen sowie sein umfassendes Wissen rund um die Messung des Werkzeuginnendrucks nutzen. Mit einem Umfang von 4,4 mm eignet sich der Sensor vom Typ 9247A für die Herstellung von größeren Kunststoffteilen. Mit Blick auf medizinische Anwendungen hat Kistler einen noch kleineren Sensor entwickelt, der sich für die kompakten Formen von Produkten wie Linsen, Spritzen und Epi-Pens eignet.

Bereits 2018 brachte Kistler die erste Version des piezoelektrischen Miniaturlängsmessdübels heraus. Im Herbst 2022 folgte eine aktualisierte Version, der Miniatur-Längsmessdübel 9239B. Mit einem Umfang von nur 2,5 mm lässt er sich in kleinen Werkzeugen oder solchen mit wenig Platz einsetzen. Signifikanter Unterschied zwischen den beiden Sensorversionen A und B ist der Kristall: Während in der Vorgängerversion des Sensors ein Quarzkristall eingebaut ist, kommt in der neuen Version ein von Kistler gezüchteter Piezostar-Kristall zum Einsatz. Dieser misst auch schwächere Signale präzise.

Der Weg zur berührungslosen Messung als Industriestandard

Die berührungslose Messung mit längsgerichteten piezoelektrischen Sensoren bietet drei Hauptvorteile:

  • keine Abdrücke in den Oberflächen der hergestellten Produkte,
  • präzise Messung und
  • geringer Wartungsaufwand.

Das sind gute Neuigkeiten für die Medizintechnikindustrie. Hier benötigen produzierende Unternehmen zuverlässige Systeme zur Messung der Prozessparameter und zur Prozessüberwachung – auch um regulatorische Anforderungen wie die GMP in den USA und die MDR-Standards in Europa zu erfüllen.

Über Sensoren lässt sich im Spritzgussprozess die Bauteilqualität vorhersagen

In der Produktion von Medizinprodukten erfüllen die direkte sowie die berührungslose Messung unterschiedliche Anforderungen. So können Hersteller berührungslose Sensorik für hochpräzise Produkte und in Anwendungsfällen einsetzen, in denen eine perfekte Oberfläche erforderlich ist. In Fällen, in denen kleine Abdrücke auf dem Produkt keinen Einfluss auf dessen Qualität haben, können sie sich weiter auf die direkte Messtechnik verlassen.

www.kistler.com

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