Wenn das Miniaturventil nur ein Viertel der Größe eines Würfelzuckers misst, lassen sich damit mobile Laborsysteme im Taschenformat ebenso realisieren wie In-Vitro- oder In-Vivo-Systeme rund um die Erforschung und Therapie von Krankheiten. Ein solches Ventil bieten vier junge Unternehmer an. Memetis GmbH heißt ihr in Eggenstein-Leopoldshafen ansässiges Unternehmen, das von der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert wurde. Und es ist auch noch nicht lange her, dass das Team vom Vorsitzenden des Bosch-Aufsichtsrats, Franz Fehrenbach, im Namen der Wissensfabrik den Weconomy-Preis 2017 überreicht bekam.
Um den Faktor Zwei bis Fünf kleiner als übliche Mikroventile
Eine Besonderheit der neu entwickelten Ventile ist deren geringe Größe, die sie für den Einsatz in Lab-on-Chip-Systemen geeignet macht – dort sind immer kleinere und leistungsfähigere mikrofluidische Komponenten erforderlich. Als Mitglied des Memetis-Gründerteams verweist Dr. Christof Megnin vor allem auf die Aktoren, welche die neu entwickelten Ventile öffnen und schließen: „In konventionellen Ventilen – auch in Mikroventilen – werden hierfür oft Solenoidspulen eingesetzt, also im weitesten Sinne Elektromagnete. Die damit betätigten Ventile sind um den Faktor Zwei bis Fünf größer als unsere Ventile.“
Die neuartigen Miniaturventile sind nur 7 mm x 12 mm x 5,5 mm groß. Dr. Marcel Gültig, Mitbegründer des innovativen Karlsruher Technologieunternehmens, beschreibt deren Grundaufbau so: „Über dem Medienraum, durch den Gase oder Flüssigkeiten fließen, liegt – durch eine Dichtungsmembran getrennt – eine Folie aus einer Formgedächtnislegierung. Je nach Detailausprägung hebt oder senkt die Folie die Dichtungsmembran über einen Stößel und ermöglicht oder verhindert so den Durchfluss des Mediums.“
Das Material selbst ist die Maschine
Wenn so eine Folie aus einer Metalllegierung zum Aktor wird, rechtfertigt das die von den Forschern gern benutzte Formulierung, dass hier das Material die Maschine ist. Denn während Solenoidspulen bei vergleichbaren Kenngrößen bezüglich Kraft und Weg recht groß bauen, beanspruchen die Formgedächtnisaktoren kaum nennenswerten Einbauraum.
Einen weiteren Vorteil sieht Megnin in der nahezu lautlosen Arbeitsweise seiner Miniaturventile und in ihrer Zyklenfestigkeit. Sowohl in der Version Normally open (NO) als auch Normally closed (NC) wird der Aktor – also die Folie – in den Ventilen durch Fluiddruck oder Gegenfedern verformt. Beaufschlagt man die Folie mit niedrigen Spannungen von üblicherweise unter 5 V, verändert sie durch Erwärmen sehr schnell ihre Form. „Je nach Detailausprägung“, erläutert Megnin, „erreichen wir bei Schaltzeiten ab zehn Millisekunden mehr als eine Million Schaltzyklen.“
Bei medizintechnischen Mikrofluidik-Anwendungen, wie zum Beispiel in portablen medizinischen Geräten, die von Patienten am Körper getragen werden, erweist sich neben der kleinen Bauform und der geräuschlosen Arbeitsweise auch der geringe Strombedarf als vorteilhaft.
Neue Anwendungsgebiete sehen die Forscher in den Life Sciences und vielen vergleichbaren Bereichen. Zwei der winzigen Ventile, die als ‚Valve-on-Board-Systeme‘ für die Integration in fluidische Backplanes konzipiert wurden, passen auf die Fläche einer 1-Cent-Münze. Und Megnin ergänzt: „Dank der geringen Masse der FGL-Aktoren erreichen wir auch die schnellen Abkühlzeiten, die hohe Schaltfrequenzen zulassen.“
Kundenspezifische Lösungen sind machbar
Das Spin-off-Unternehmen, das aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hervorging, baut aber nicht nur ein eigenes Programm an Ventilen auf – auf Basis des ausgeklügelten modularen Aufbaukonzepts lassen sich auch in kurzer Zeit kundenspezifische Lösungen umsetzen. Hierbei steht das Team von Memetis den Interessenten einerseits als Lieferant einbaufertiger Ventile zur Verfügung, andererseits aber auch als kompetenter Technologieberater.
Schon jetzt zeigt sich, dass der geringe Bauraum der Ventile dazu beiträgt, die Integrationsdichte bestehender oder sich in der Entwicklung befindender Diagnostik- und Analysegeräte zu erhöhen. So lassen sich in den Bereichen Lab-on-a-Chip oder für die Diabetes-Therapie neue Lösungen realisieren.
Die Integration der neuen Ventile ist einfach umzusetzen. „Viele medizintechnische Komponenten bestehen aus passiven Strukturen, die nur in Kombination mit Peripheriegeräten betrieben werden können“, erläutert Dr. Marcel Gültig. „Unsere Systeme mit integrierten aktiven Komponenten kommen ohne Peripheriegeräte aus.“ Sie brauchen daher auch keine aufwendigen Interfaces, um in Steuerungen unterschiedlichster Art eingebunden zu werden.
Da die Aktoren mit dem Medium nicht in Berührung kommen, lassen sich die Ventile in vielen Anwendungen einsetzen. Dazu Mitgründer Gültig: „Bei zertifizierungspflichtigen Systemen ist dies ein enormer Vorteil. Darüber hinaus stellen wir unseren Kunden natürlich alle relevanten Spezifikationen bezüglich der Bauteile mit Medienkontakt zur Verfügung, welche für die verschiedenen Zulassungsprozeduren erforderlich sind.“
Bauformen der Miniaturventile
Die Ventile mit Formgedächtnis-Aktoren sind in verschiedenen Bauformen herstellbar. Sowohl in der Version Normally open (NO) als auch Normally closed (NC) wird der Aktor – die dünne Folie – in den Ventilen durch Fluiddruck oder Gegenfedern verformt. Beaufschlagt man die Folie mit Spannungen von üblicherweise unter 5 V, verändert sie durch Erwärmen innerhalb weniger Millisekunden ihre Form. Je nach Bauform führt das zum Öffnen oder Schließen des Ventils.