Startseite » Technik » Entwicklung »

Doccheck Ping Pong: Frag Mediziner, was sie vom Produkt erwarten

Mediziner-Feedback zur Produktentwicklung
Doccheck Ping Pong: Frag Mediziner, was sie vom Produkt erwarten

Sein Name lautet Kloppe, und er ist ein echter Hammer. Ein Reflexhammer genauer gesagt. An diesem Beispiel zeigt sich, wie Entwickler mit wiederholtem Feedback von Ärzten über die Plattform Doccheck ihr Produkt verbessern können. Der Test aus dem „Doccheck Ping Pong“ war erfolgreich, der Hammer ist auf dem Markt gefragt.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Namen sind wichtig. Daher sei als erstes gesagt, dass der Reflexhammer, der hier als Beispiel auftaucht, zwar mit dem Namen „Kloppe“ richtig vorgestellt ist, aber mit der Schreibweise „Clôppe“ auf den Markt gebracht wurde. Schon das zeigt, dass die Entwickler auf jeden Fall Wert darauf legen, etwas anders zu machen als üblich. Sie wollten „zu einem coolen innovativen Medizinprodukt“ kommen und das Design, das Material und die Ergonomie eines klassischen Produkts verbessern, das jeder kennt. Den Reflexhammer – den zieht zum Beispiel der Hausarzt oder der Neurologe aus der Kitteltasche, um direkt unter der Kniescheibe anzuklopfen und den Kniesehnenreflex zu testen.

Mit einem Sieben-Punkte-Plan zur schnelleren Markteinführung

6000 Heilberufler melden zurück, was am Produkt besser sein könnte

Was kann man an so einem Klassiker noch verbessern? Das sollten die Anwender selbst sagen. Mediziner, oder allgemeiner Healthcare Professionals, wie es bei Doccheck heißt, können in der Community dem Kanal „Area 51“ folgen – benannt nach dem für Experimente genutzten geheimen militärischen Sperrgebiet in den USA. Rund 6000 Heilberufler unterschiedlicher Fachrichtungen sind in diesem Bereich von Doccheck vertreten und bereit, sich zu Innovationen bei Produkten zu äußern. Die Einladung dazu gibt es mit Aufrufen an „Produktchecker“, die Produkte „dem Alltags-Härtetest unterziehen“.

Die Entwickler, die den Reflexhammer verbessern wollten, sind übrigens für die Kölner Doccheck AG selbst tätig. Was die Ingenieure und -Designer dort entwickeln, zum Beispiel Diagnosehilfsmittel wie Stethoskope oder Leuchten oder eben den Hammer, ist später im Shop der Plattform verfügbar. Doch nicht nur eigene Produkte werden dort verkauft, sondern auch Medizinproduktehersteller können auf diesem Weg ihre Produkte vertreiben – und in der Community den Austausch mit Healthcare Professionals suchen.

Diverse_group_of_healthcare_professionals._Medical_personnel._International_Nurses_Day._Medical_Workers_Day
Rund 6000 Healthcare Professionals unterschiedlicher Fachrichtungen haben sich im Testbereich der Plattform Doccheck angemeldet und sind interessiert daran, an der Weiterentwicklung von Medizinprodukten mitzuwirken
(Bild: Caelestiss/stock.adobe.com – generiert mit KI)

Produkte testen lassen oder die Zielgruppe kennenlernen

Julia Schröder, die auf quantitative und qualitative Online-Befragungen von Fachleuten aus den Heilberufen spezialisiert ist und bei Doccheck den Bereich „Insights“ leitet, hat mit solchen Projekten laufend zu tun. Jährlich geben zehn bis zwanzig Medizinproduktehersteller den Auftrag, Feedback von Anwendern einzuholen. Das kann schon früh in der Entwicklung passieren mit dem Ziel, zunächst eine grobe Einschätzung davon zu bekommen, was eine Zielgruppe sich wünscht. Es kann eine gemeinsame Entwicklung mit dem Ingenieur-Team von Doccheck beinhalten, oder eine Zoom-Runde, bei der Mediziner eine Idee oder gleich einen Prototypen bewerten.

Sounddesign: So könnten Medizingeräte ganz anders klingen

Laut Julia Schröder lassen sich vier Stufen eines Projektes unterscheiden. In der quantitative Zielgruppendefinition wird festgelegt, wer das Produkt nutzt und was bisher zur Verfügung steht. Welche Kritikpunkte und Anforderungen gibt es dazu? Auf der zweiten Stufe erfolgt ein qualitativer Austausch in kleinen Zoom-Sessions oder im persönlichen Gespräch. Zur Stufe 3 gehören Workshops zur Ideenentwicklung. Darauf folgt konkretes Feedback zum Produkt – der Soft-Launch mit einer begrenzten Stückzahl von Produkten, die die Anwender bewerten. So lassen sich Zielgruppen in allen Schritten der Produktentwicklung miteinbeziehen.

Auf welcher Stufe sie einsteigen wollen, entscheiden die Auftraggeber. „Die frühen Zoom-Sessions oder Workshops sind meiner Erfahrung nach am spannendsten“, sagt Schröder. Nicht selten kämen dabei Wünsche der Mediziner zur Sprache, die Optimierungsbedarf zeigen oder zu ganz neuen Ideen führen. „Ein Hersteller kann von so einer Runde wirklich profitieren.“

Produktchecker wollen mit Vorschlägen etwas verbessern

So war das auch im Fall von Clôppe. Die Entwickler haben zunächst Wünsche der Mediziner gesammelt. Was könnte man verbessern? Herkömmliche Produkte passen nicht in die Kitteltasche, war eine Rückmeldung. Sie sind manchen Anwendern zu schwer, der Schwerpunkt stimmt nicht für jeden, Rechtshänder haben andere Bedürfnisse an den Griff als Linkshänder. Die häufigsten Wünsche haben die Ingenieure ins Produkt integriert und die erste Version an ausgewählte Produktchecker versendet.

O-Toene_Tester_Cloppe.jpg
Was Mediziner wollen, ist immer auch individuell geprägt – und eine Befragung enthält auch gegenläufige Meinungen. Daraus müssen Entwickler und Designer dann die Schlüsse ziehen, die das Produkt für möglichst viele Anwender verbessern. Beim Reflexhammer war eine anpassbare Variante die richtige Lösung
(Bild: Doccheck)

Das Feedback der Produktchecker komme immer freiwillig, sagt Schröder. „Die Healthcare Professionals, die sich an der Area 51 beteiligen, wollen von sich aus Produkte verbessern, sie haben eine intrinsische Motivation, ihre Erfahrungen mit dem Produkt zu teilen und dafür zu sorgen, dass die nächste Version ihren Anforderungen noch näher kommt.“ So ein kleinpreisiges Produkt wie Clôppe könne man den Testern dann als Dankeschön für ihre Rückmeldungen überlassen.

Manchmal mehr Vorschläge, als man umsetzen kann

Die gesammelten Vorschläge umzusetzen, ist manchmal aber keine leichte Aufgabe. Denn während der Prototyp des Hammers manchem zu leicht war, empfanden ihn andere schon als zu schwer. Jedem seinen individuellen Hammer zu entwickeln, wäre zu weit gegangen. Aber eine pragmatische Lösung ließ sich finden: in Form einer als „Pro-Version“ bezeichneten Variante, bei der sich die Gewichte im Hammer austauschen lassen – damit jeder das Wohlfühl-Gewicht erhält.

Bildmaterial_Cloppe.jpg
„Clôppe lässt die historische Gestalt eines Reflexhammers ganz neu erscheinen“, lobte die Jury des Red Dot Award 2022 und sprach von einer „modernen Komposition aus Formen, Farben und Materialien“. Praktischer Nutzen: in einer Variante lassen sich die Gewichte im Kopf individuell auswählen
(Bild: Doccheck)

So erreicht der Neurologe den gewünschten Effekt mit dem schwereren Hammer durch lockeres Fallenlassen des Kopfes auf die Sehne. Während der Allgemeinmediziner vielleicht lieber etwas mehr klopft – dafür aber weniger Gewicht in der Kitteltasche spazieren trägt.

Am Ende waren es vier Feedback-Runden, bis der neue Reflexhammer marktreif war. Dieses Hin und Her zwischen Nutzerfeedback und Produktentwicklung hat dem Programm auch seinen Namen Doccheck Ping Pong eingetragen.

Feedback gibt es auch für komplexere Medizinprodukte

„Das, was wir hier am einfachen Beispiel des Reflexhammers beschreiben, muss man natürlich anpassen, wenn es um komplexere Medizinprodukte geht oder ein anderes Erkenntnisinteresse besteht“, sagt Schröder. Bei einem mittelpreisigen Produkt wird dieses den Fachleuten vielleicht günstiger verkauft, wenn sie mit ihren Auskünften dazu beitragen, ein Gerät zu verbessern. Geht es um so komplexe Lösungen, dass es nur einen einzigen Prototyp gibt, ist vielleicht ein Test vor Ort der richtige Weg. Manchmal bietet sich auch eine Virtual-Reality-Variante an, um die Meinung der Tester zu kommen. Für die Beteiligten entsteht dabei eine gewisse Bindung zum Produkt, zu dem jeder einzelne etwas beigetragen hat.

Nicht nur Konzerne holen hier Feedback ein

Der Ping-Pong-Vorgang mit Fachleuten, deren Spezialgebiet zum Produkt passt, bietet sich aber nicht nur für Neuentwicklungen an. „Nach dem Launch findet ja meist eine Weiterentwicklung statt, und dafür ist die Meinung der Zielgruppe ebenfalls gefragt.“ Der direkte Austausch über die Doccheck-Plattform ist, wie Schröder betont, auch nicht nur etwas für Konzerne. „Es gibt Varianten dieser Rückkopplung mit Medizinern, die auch für kleine und mittlere Unternehmen interessant sein können“, sagt sie. Zur Geheimhaltung sind die Tester in dem Maß verpflichtet, wie es die jeweilige Vereinbarung vorsieht.

Die Nutzungsideen sind für das Feedback-System sind vielfältig. Es gibt die Möglichkeit, mit einer auf bestimmte Indikationen spezialisierten Zielgruppe ein lockeres Kennenlernen in einer Zoom-Runde zu organisieren, um besser zu verstehen, „wie diese spezielle Zielgruppe tickt“. Falls diese in der Area 51 noch nicht ausreichend vertreten ist, lassen sich Experten gezielt aus rund einer Million Doccheck-Nutzern rekrutieren. Welche Art Kontakt mit den Heilberuflern am sinnvollsten ist, wird in einem Vorgespräch mit dem Auftraggeber geklärt.

Ein Test bringt schnell Erkenntnisse. „Interessanterweise zeigt meist schon die Feedback-Häufigkeit bei den Testern, ob ein Produkt den Nerv der Anwender trifft und damit auch eine gute Chance für den Verkauf im Shop hat“, berichtet Geschäftsführer Dr. med. Frank Antwerpes. Das Feedback zum Hammer Clôppe jedenfalls hat seinen Teil zum Erfolg beigetragen. Bereits 2022 ist das Produkt mit dem Design-Preis Red Dot Award ausgezeichnet worden. Antwerpes rechnet damit, dass es über zehn Jahre auf dem Markt sein wird – und sich damit der Aufwand in der Entwicklung auch für das niedrigpreisige Produkt gelohnt hat.


Über Doccheck

Das Portal Doccheck ging 1996 an den Start und ist nach eigenen Angaben „die größte Community für Angehörige der Heilberufe in Europa“. Das Ziel: den Zugang zu Fachinformationen für Ärzte zu vereinfachen. Betreiber ist die Kölner Doccheck Community GmbH, Geschäftsführer sind der Mediziner Dr. Frank Antwerpes und Julia Kroll.

www.doccheck.com

Zur Doccheck-Gruppe gehört die 1990 gegründete Agentur Antwerpes AG, deren Aufsichtsratvorsitzender Dr. Frank Antwerpes ist. Mit rund 200 Mitarbeitern entwickelt das Unternehmen Ideen und Konzepte für die Healthcare-Kommunikation. Ab Oktober 2024 soll die Agentur Doccheck Agency heißen.

www.antwerpes.com

Portal und Agentur gehören zur Doccheck AG, die auch den Shop betreibt. Ein weiteres Standbein: Doccheck Guano bietet Venture Capital für Healthcare Start-ups.

www.doccheck.ag

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: 6G in der Medizin

6G in der Medizin: Vitalparameter in Echtzeit überwachen

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de