Eine neue Technik für die Dekontamination mit Plasma
Atmosphärische Plasmasysteme für die Industrie sind in der Regel fest in ihre Fertigungslinien integriert. Niederdruck-Plasmaanlagen, wie sie bereits für die Sterilisation von Produkten entwickelt wurden, sind aufgrund der erforderlichen Vakuumkammer in der Regel groß und schwer. Beide arbeiten unter Rahmenbedingungen, die einer industriellen Umgebung angepasst sind. Der Gedanke, Plasma zur Oberflächenbehandlung für mobile Anwendungen zur Verfügung zu stellen, liegt da nicht am nächsten. Genau das ist aber den Partnern im Verbundprojekt Moplasdekon gelungen: Mit der von ihnen entwickelten Technik lassen sich verseuchte Oberflächen mittels Plasma dekontaminieren, ohne dass gesundheitsgefährdende und umweltbelastende Chemikalien eingesetzt werden müssen.
Dekontamination mit Plasma ist für Katastrophenschutz interessant
Dieser Ansatz ist für den Katastrophenschutz interessant, und so wurde das Projekt im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierten Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ drei Jahre lang gefördert – bis Mitte dieses Jahres. In dieser Zeit haben die Partner nicht nur das neuartige, mobile Plasmasystem entwickelt, sondern auch dessen Wirksamkeit sowie die praktischen Einsatzmöglichkeiten auf diversen Oberflächen getestet. So lassen sich Schutzanzüge, die von Einsatzkräften getragen wurden und mit gefährlichen Keimen verunreinigt sein können, ebenso schnell und effektiv dekontaminieren wie die Innenräume von Krankentransportwagen.
Als Partner im Verbund haben die Plasmatreat GmbH, Steinhagen, das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), Freising und die M-U-T GmbH zusammengearbeitet, ein Hersteller von Messgeräten für Medizin- und Umwelttechnik aus Wedel. Die technische Entwicklung und das Design der Plasmaanlage selbst waren Aufgabe von Plasmatreat, einem Unternehmen, das auf atmosphärische Plasmaoberflächentechnologie spezialisiert ist. Die PlasmatreatFachleute haben den Stromgenerator gebaut, der erforderlich ist, um das Plasma zu erzeugen, und auch die Plasmadüse sowie weitere Teile für den Demonstrator.
Konzentration des Plasmagases wird im Wagen gemessen
Der Demonstrator steht derzeit in Freising, wo die Anlage am Fraunhofer IVV mikrobiologisch evaluiert wurde. Ob das Plasma die Oberflächen unterschiedlicher Materialien wirksam dekontaminiert und desinfiziert, haben die Forscher mit Bakterien, Pilzen und Viren getestet. M-U-T entwickelte wiederum spezielle Gas-Analysatoren, die ihre Daten direkt an den mobilen Stromgenerator des Plasmasystems senden. Einer von ihnen misst das Plasma am Düsenausgang bei Beginn der Dekontaminationsphase. Der andere befindet sich im Inneren des zu dekontaminierenden Raumes – also beispielsweise des Krankenwagens – und meldet dem Generator, wann das Plasmagas dort eine ausreichende Konzentration erreicht hat.
Plasma für die Dekontamination mit langer Lebensdauer
Der Moplasdekon-Demonstrator arbeitet mit einem unter Normaldruck erzeugtes Plasmagas. Dieses wird jedoch nicht – wie in der Industrie zur Reinigung und Aktivierung von Materialoberflächen angewandtes Openair-Plasma – mit Hilfe einer lichtbogenartigen Entladung generiert. Die neu entwickelte Sterilisationsdüse mit der Bezeichnung CD-40 bedient sich zur Erzeugung des Plasmas vielmehr der dielektrischen Barriereentladung, kurz auch als DBD für Dielectric Barrier Discharge bezeichnet. „Mit dieser Technologie wird im Gegensatz zum üblichen Atmosphärendruckplasma ein reaktives Plasmagas mit langer Lebensdauer erzeugt, das sich zur Desinfektion und sogar Sterilisation von größeren Volumina von bis zu fünf Kubikmeter eignet“, erläutert Dr. Alexander Knospe, Leiter Innovationsmanagement bei Plasmatreat und Verbundkoordinator für das Projekt. „Das entspricht in etwa dem Rauminhalt eines Krankentransportwagens, der mit dem DBD-Verfahren chemiefrei in etwa ein bis zwei Stunden entkeimt werden kann.“
Plasma-Prozess für die Dekontamination wird überwacht
Um einen kontinuierlichen und reproduzierbaren Betrieb sicherzustellen, wird der Plasmaprozess spektroskopisch überwacht. Gefragt nach den in den Tests bislang behandelten Materialien sagt Prof. Dr. Thomas Schmitt-John, Leiter der Abteilung Plasma-Life-Science des Anlagenbauers: „Wir haben Versuche auf Glas-, Kunststoff- und Metalloberflächen durchgeführt und bisher keinen Unterschied bei der Entkeimungsleistung festgestellt.“ Da das DBD-Plasmagas relativ kalt und der Abstand der Düse zum Substrat ohnehin groß sei, könnten auch thermisch empfindliche Kunststoffe entkeimt werden.
Mit der CD-40-Düse konnte eine Keimreduktion von sechs Log-Stufen erreicht werden. Das entspricht einer Reduktion von Bakterien um den Faktor eine Million, was den Anforderungen für eine Sterilisation genügt. Die bakterizide und fungizide wie auch antivirale und sporizide Wirkung der Technologie ist damit in den Entkeimungstests nachgewiesen.
Gebraucht werden nur elektrische Energie und Luft als Prozessgas
Interessant ist das neue System unter anderem, weil es im Gegensatz zu bisher üblichen Dekontaminationsverfahren, die auf chemische Wirkstoffe wie Peroxyessigsäure (PES) oder Wasserstoffperoxid setzen, nur elektrische Energie und Luft als Prozessgas benötigt. Die genannten Chemikalien sind nicht nur gefährlich für die Gesundheit der Einsatzkräfte, sondern auch umweltbelastend. Daher müssen sie mit oft großem Aufwand in die verseuchten Gebiete gebracht, dort vorgehalten und schließlich entsorgt werden.
Falls an der Einsatzstelle keine Stromversorgung über eine Netzspannung gegeben ist, verfügen Rettungsorganisationen über Notstromaggregate, an denen die Plasmaeinheit dann betrieben werden kann. Sollte auch das nicht funktionieren, könnte das System auf einen eingebauten Lithium-Ionen-Akku zurückgreifen. Dieser kann im Notfall sogar über die Autobatterie eines Einsatzfahrzeugs aufgeladen werden.
Für Dekontamination mit Plasma soll es ein spezielles Produkt geben
Dass der Plasma-Desinfektor so kompakt und relativ leicht sein sollte, dass ein Mensch ihn tragen kann, war erklärtes technisches Ziel des Forschungsprojekts. Ein solches Gerät gibt es bislang nicht. Das zukünftige Moplasdekon-Produkt wird mit 25 kg Gewicht schnell einsetzbar und noch bedienerfreundlicher als der Demonstrator gestaltet werden.
Unterstützung von erfahrenen Helfern
Für Fragen zum Alltag des Katastrophenschutzes hatten die Beteiligten im Verbundprojekt vier assoziierte Partner: die Spezialeinheit Analytische Task Force Biologie (ATF B) der Feuerwehr Essen, die Rettungs-
und Katastrophenexperten des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und den hessischen Händler von Sonderzelten Thorsten Schöppner, Inhag Zelte und Zubehör. Vierter praktischer Ratgeber war die
zentrale Bundeseinrichtung für Krankheitsüberwachung und
-prävention, das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, welches selbst eine Einsatzgruppe für biologische Gefahrenlagen unterhält.
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