Im Faserverbund-Leichtbau werden zunehmend Organosheets eingesetzt – vorkonsolidierte Platten-Halbzeuge mit einer Matrix aus thermoplastischen Kunststoffen und verschiedenen Verstärkungsfasern. Sie sind in unterschiedlichster textiler Ausführung verfügbar. Wegen der Thermoplastmatrix lassen sich Organosheets mit in der Industrie etablierten „schnellen“ Verfahren verarbeiten. Dazu zählen Heißpressen, Thermoformen, Spritzgießen mit Organoblech-Einlegern oder Pultrusion. Die Verfahren erzeugen sehr gut recycelbare, hoch funktionalisierte Bauteile mit reproduzierbarer Qualität.
Die textile Verstärkung der Organosheets besteht bisher vor allem aus Glas-, Carbon-, Basalt- oder Aramidfasern. Diese Fasern sind sehr steif und zugfest. In ihrer Herstellung und im Recycling jedoch sind sie energieintensiv. Darüber hinaus sacken sie beim Recyceln in einen zunehmend minderwertigen Zustand.
Faserverbundwerkstoff: Nachhaltig durch Cellulose
Im Gegensatz dazu ist der an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) gemeinsam mit Projektpartnern entwickelte Faserverbundwerkstoff mit Namen Cellun eine nachhaltigere Alternative. Für die Herstellung von Cellun wird die Verstärkungskomponente aus nicht schmelzbaren Fasern aus Cellulose sowie thermoplastischen, derivatisierten Cellulosefasern als Matrix zu einem Hybrid-Roving kombiniert. Als cellulosische Verstärkungsfasern kommen Regeneratfasern des Unternehmens Cordenka und die an den DITF entwickelten HighperCell-Cellulosefasern zum Einsatz.
Cellun wird nun im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Verbundprojekts zur industriellen Reife weiterentwickelt. Die Aufgaben der DITF im Cellun-Verbundprojekt sind vor allem das Herstellen von geeigneten Verstärkungsfasern auf Basis von Cellulose und das Einbetten der Fasern in die thermoplastische Cellulose-Derivat-Matrix. Das Material verarbeiten die Fachleute in den hauseigenen Technika zu technischen Hybridrovingen und zu Hybridtextilien. Über Pultrusions- und Thermoformverfahren oder im Spritzguss lassen sich schließlich Formteile hergestellen, die die technischen Einsatzmöglichkeiten des neuen Materials veranschaulichen.
Werkstoff mit Cellulose als kostengünstige Alternative
Im weiteren Projektverlauf liegt der Fokus auf der vollständigen Kreislaufführung des Cellun-Materials nach dessen End of Life (EOL). Dazu werden zwei unterschiedliche Ansätze erforscht. Einerseits besteht die Möglichkeit, Cellun-Formteile ohne Qualitätsverlust thermisch umzuformen. Ein zweiter möglicher Weg ist, das Cellun-Material wieder chemisch in die einzelnen Komponenten zu trennen. Diese lassen sich dann erneut wieder zu 100% als neue Ausgangsmaterialien einsetzen.
Die neuartigen Cellun-Werkstoffe gelten als umweltfreundliche, ressourcenschonende und kostengünstige Alternative zu etablierten Verbundwerkstoffen im Leichtbau- und Automotivsektor und sollen einen echten Vorteil im Markt der technischen Halbzeuge bieten.
Durch die Verwendung nachwachsender Biopolymere wird Cellun nach Angaben der Entwickler einen wesentlichen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten: Einerseits können herkömmliche Kunststoffe auf Rohölbasis substituiert werden, andererseits können Cellun-Verstärkungs- und Matrixfasern mit nur geringem Energieeinsatz und aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden.
Kontakt:
DITF
Dr. Tanja Schneck
Kompetenzzentrum Biopolymerwerkstoffe
Telefon: +49 (0)711 9340 407
E-Mail:tanja.schneck@ditf.de
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